Auf der Jahresversammlung der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte (GSHG) am 21. September ab 17 Uhr im Landesarchiv in Schleswig stehen auch Vorstandswahlen an. Zum einen schlägt der Vorstand vor, den Historiker Dr. Stefan Magnussen von der CAU in das Gremium zu wählen, der sich um den Bereich Social Media kümmern will. Da Julia Buchholz nach nur einem Jahr ausscheiden wollte, weil sie nun im Kultusministerium arbeitet, schlägt der Vorstand auch Dr. Maike Manske vor. Sie arbeitet ebenfalls in der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek (SHLB). Dort ist sie Leiterin der Handschriftenabteilung. Wir stellen die 1981 in Hamburg Geborene auf <www.geschichte-s-h.de> mit einen Interview vor.

Frau Dr. Manske, als der Vorstand bei Ihnen angeklingelt hat, haben sie nach kurzer Überlegung zugestimmt. Was reizt eine junge Historikerin bei der GSHG im Vorstand mitzuarbeiten?

Die GSHG ist einfach eine nicht wegzudenkende Instanz, wenn es darum geht, das historische und kulturelle Gedächtnis Schleswig-Holsteins zu pflegen und zu vermitteln. Hier laufen zahlreiche Fäden der Regionalgeschichte zusammen. Mit der GSHG verbindet mich schon lange vieles – natürlich als Mitglied, aber auch als Rezensentin für die ZSHG, als Autorin für Nordelbingen oder Besucherin der tollen Veranstaltungen wie des Tages der Schleswig-Holsteinischen Geschichte. Ich persönlich bin ein absolutes Nordlicht, und die Regionalgeschichte spielt schon seit meinem Studium eine große Rolle. Meine Magisterarbeit habe ich über Emigranten der Französischen Revolution in den norddeutschen Hansestädten geschrieben, meine Dissertation über Reisebeschreibungen des Ostseeraums. In der Regionalgeschichte mit offenen Grenzen zu denken und auch mal in die umliegenden Regionen bis in den Ostseeraum zu spähen, die eine Region ja auch im Austausch prägen, finde ich besonders spannend. 

Als Sie 2000 in Hamburg mit dem Studium begonnen haben, waren Ihre Fächer Germanistik und Geschichte. Wann kam die Wende hin zur Geschichte pur und zur Forschung?

Eigentlich wollte ich immer gern am Theater arbeiten und habe neben diversen Hospitanzen Germanistik und Geschichte studiert. Doch dann kam die Französische Revolution dazwischen. Die Zeit des gesellschaftlichen und politischen Umbruchs um 1800 – in seiner Radikalität, aber auch Ästhetik – hat mich so sehr fasziniert, dass sich plötzlich eine neue Berufsrichtung auftat. Sich auf Spurensuche zu begeben, Quellen zu deuten, auch mal neue Pfade der Interpretation einzuschlagen, machen für mich den Reiz der Geschichtswissenschaft aus. Trotzdem ist auch die Germanistik noch eine Herzensangelegenheit, vor allem die Literatur. In der Handschriftensammlung der Landesbibliothek finde ich beides, was ein großes Glück ist. 

Auf ihrem Weg in die Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek haben sie im Museum für Hamburgische Geschichte und in Neumünster bei Tuch & Technik gearbeitet. Waren das nur spannende Jobs, oder hilft Ihnen die Museumerfahrung heute?

Das konkrete Arbeiten mit Originalobjekten hat mich schon immer fasziniert. Eine Handschrift, ein Museumsexponat, ein originales Foto hat für mich eine besondere Aura der Authentizität und Intimität, die Geschichte greifbar macht. Der Weg in die Landesbibliothek führte mich über die Sammlungsdokumentation und -vermittlung. Im Museum für Hamburgische Geschichte war ich in der Einzelblattsammlung tätig, im Museum Tuch & Technik für Besucherführungen und digitale Inventarisierung – und hier an der Landesbibliothek zunächst für die Erschließung der Notgeldsammlung. In ihren Kernaufgaben des Sammelns, Bewahrens, Dokumentierens und Verfügbarmachens haben Bibliotheken und Museen viel gemeinsam. Beide sind Speicher des kulturellen Gedächtnisses – und nicht zuletzt durch die Möglichkeiten der Multimedialität wachsen Museen und Bibliotheken immer enger zusammen. Ob Text, Bild oder 3-D-Objekt, ist in der digitalen Welt weniger entscheidend.

Wir wollen nun hier nicht erzählen, dass die GSHG mehr als Mitschuldiger für die Gründung der SHLB ist. Aber was macht Dr. Maike Manske in der SHLB?

Ich betreue hauptsächlich die Handschriftensammlung, bin aber kommissarisch auch für die Musikalien und die Landesgeschichtliche Sammlung tätig. Das Tolle an den Schätzen der Landesbibliothek ist der reichhaltige Fundus an verschiedenen Objektgattungen und Quellen – so findet man nicht nur alle gedruckten Werke von und über Klaus Groth vom Erstdruck bis zum Zeitungsartikel, sondern auch seinen handschriftlichen Nachlass, seine komplette Handbibliothek, musikalische Vertonungen seiner Gedichte und zahlreiche Porträts von ihm. Ähnliches gilt für Theodor Storm, Ferdinand Tönnies, moderne Autoren wie Feridun Zaimoglu oder Albert Einsteins Bindung zu Kiel. Die Sondersammlungen ganzheitlich zu denken und miteinander zu vernetzen, ist eine der wichtigsten Aufgaben. Und man muss beherzt neue Wege der Sichtbarmachung und Vermittlung gehen, über digitale Portale, kooperative Projekte, virtuelle Ausstellungen und Editionen, über Citizen Science und Social Media. 

Wer sich für diese Schätze interessiert, kann sich an die Landesbibliothek wenden, dort helfen Sie und andere beim Finden von Handschriften und Dokumenten und geben die Chance, damit zu arbeiten. Das ist nun Bibliothek klassisch. Wie viel hat die Chefin der Handschriftenabteilung mit dem Start der SHLB in die digitale Zeit zu tun?

Das Digitale ist in Bibliotheken und Archiven allgegenwärtig. Von der automatischen Aus- und Fernleihe über Online-Katalogdatenbanken bis hin zu Open Data hat sich die Arbeitswelt in Bibliotheken komplett gewandelt. Dahinter steckt ein riesiger Arbeitsapparat. Digitalisieren ist nicht nur Scannen. Vielmehr geht es um Metadaten, die internationale technische Standards erfüllen müssen, um Referenzierbarkeit und Maschinenlesbarkeit. Natürlich ändert sich auch die Art der Quellen: Es gibt zunehmend genuin digital erzeugte Medien (born digitals), für deren Archivierung Strategien gefunden werden müssen. Die Digitalisierung des kulturellen Erbes ist eine große Chance für Kultureinrichtungen. Sie ist zum einen eine Form der Bestandserhaltung, die das Original schont, sie bietet aber auch neue Möglichkeiten der Sichtbarmachung, Verbreitung und Erforschung von Kulturgütern. Die Landesbibliothek hat hierzu 2021 ein Pilotprojekt zur sammlungsübergreifenden Bestandsdigitalisierung gestartet, das ihre Schätze von der Auswahl der Dokumente über das konkrete Scannen und Verarbeiten der Daten bis hin zur technischen Implementierung einer „Digitalen Bibliothek“ zum Ziel hat. Digitalisierung ist eine Daueraufgabe, für die es personelle und finanzielle Ressourcen benötigt. Und Digitalisierung darf nicht im „stillen Kämmerlein“ passieren, sondern bedarf der ständigen Vernetzungsarbeit.

Sollten Sie am 21. September gewählt werden, was möchten Sie in der GSHG einbringen?

Die GSHG als Treffpunkt ist ein wunderbares Medium des Austauschs. Gemeinsam neue Möglichkeiten der Vermittlung von Regionalgeschichte zu finden und immer Neues zu probieren, auch digital, würde mir Spaß machen. Dazu gehört natürlich auch, Schnittstellen zwischen der Landesbibliothek und den forschenden Einrichtungen im Land zu schärfen. 

Was tut Maike Manske wenn es mal nicht um die Dokumente der Landesgeschichte Schleswig-Holsteins geht?

Eine gute Tasse selbstgemahlenen Kaffee im Garten trinken – das ist für mich die schönste Feierabendentspannung. Ich bin verheiratet und Mutter eines 12-jährigen Sohnes, da ist immer was los. Wir hatten noch nie ein Auto, daher bin ich immer in Bewegung. Mit dem Fahrrad oder zu Fuß, an der Nordsee oder Ostsee. Mein Geheimtipp: das Sylter Ostufer im Herbst, wenn die Vögel in den Süden fliegen. 

Die Fragen stellte Werner Junge (03092022*) / Foto: privat