1864 gewannen Preußen und Österreich gemeinsam den 2. Schleswigschen Krieg gegen Dänemark. 1866 siegte Preußen in der Schlacht von Königgrätz gegen Österreich. Am 12. Januar 1867 folgte die Annexion der Herzogtümer durch die Preußen. Geeint nun durch einen Bindestrich wurden sie als weitere Provinz dem Königreich Preußen einverleibt. Damit zerschlug sich die Hoffnung der liberalen Schleswig-Holsteiner auf territoriale staatliche Existenz als Gliedstaat eines größeren Ganzen. Die Tradition der Landtage wurde nicht erneuert. Stattdessen trat am 11. Oktober 1868 der „Vereinigte Provinziallandtag“ zusammen. Statt eines selbst bestimmten eigenständigen „Schleswigholstein“ war – bitter im Lande beklagt – die „Provinzialisierung“ abgeschlossen. Erst in der Zeit der Weimarer Republik wurde der Provinziallandtag direkt gewählt. Auch hatte er nun Befugnisse, die über die einer kommunalen Selbstverwaltung hinausgingen.
Entschieden wird in Berlin
Als preußische Provinz galten für Schleswig-Holstein von 1867 an die Normen und der Aufbau der preußischen Verwaltung. Es wurde ein Regierungsbezirk gebildet. An der Spitze der Provinz stand nun der Oberpräsident. Der hatte das Sagen, setzte um, was Berlin vorgab. Der Provinziallandtag war im Wesentlichen eine Versammlung von Repräsentanten der Stadtverordnetenversammlungen und der Kreistage. Seine Aufgabe war eine Art kommunaler Selbstverwaltung in parlamentarischer Form. Er stellte damit laut Kurt Hector einen Tiefpunkt politischer Teilhabe und die vollendete Provinzialisierung Schleswig-Holsteins dar. Politischer Einfluss auf die Geschicke der Provinz war eingeschränkt über die zweite Kammer des Preußischen Landtages möglich. Der wurde bis 1918 nach gemäß der Steuerkraft nach dem Dreiklassenwahlrecht zusammengesetzt. Vertreten war die Provinz zudem im Reichstag. Dessen Abgeordnete wurden von 1871 an in freier und geheimer Wahl nach dem absoluten Mehrheitswahlrecht bestimmt. Wenn im Fall des Preußischen Landtages auch eingeschränkt verfügten beide Gremien mit dem Budgetrecht das zentrale parlamentarische Machtinstrument.
Der Provinzial-Landtag bis 1918
Der Provinziallandtag bestand zuerst aus 57 Vertretern. Großgrundbesitzer, Städte und Landgemeinden entsandten je 19. Von 1875 an wählten die Kreistage und Stadtverordnetenversammlungen ihre Vertreter in den Provinziallandtag. Der tagte zuerst in Rendsburg, dann in Schleswig und von 1905 an zweimal jährlich in Kiel. Die Geschäfte regelte der beamtete Landesdirektor, der von 1902 an Landeshauptmann genannt wurde. 1871 wurde ein Provinzialausschuss gebildet, der zwischen den Tagungen für die laufenden Geschäfte der Selbstverwaltung zuständig war. Er wählte den Provinzialrat, der die Aufsicht über die Gemeinden wahrnahm. Im Kaiserzeitlichen Preußen war der Provinziallandtag damit ein undemokratisch zusammengesetztes Gremium mit landständischem Charakter. Es legitimierte sich ab 1875 bis 1919 durch indirekte Wahlen der Stadtverordnetenversammlungen und Kreistage.
Start in der Weimarer Republik
1919 wurde die Provinzialverwaltung den neuen demokratischen Verhältnissen angepasst. Noch im selben Jahr wurden die nun 76 Abgeordneten des Provinziallandtages indirekt durch die Kreistage und Stadtverordnetenversammlungen – einschließlich der später zu Dänemark übergehenden Gebiete (Abstimmungsgebiet) – gewählt. Eine zentrale Voraussetzung für das Stimmrecht der dortigen Bevölkerung war, dass sich die Kreise dem Kommunalverband der Provinz angeschlossen hatten. Mit Ausnahme von Helgoland traf dies auf alle Stadt- und Landkreise Schleswig-Holsteins zu. Komplizierter war die Lage für den Kreis Herzogtum Lauenburg. Der wollte kommunale Sonderrechte aus dem Kaiserreich tradieren und stand deshalb im ständigen Konflikt mit der preußischen Staatsregierung und dem Regierungspräsidium. Erst nach 1925/26 konnten deshalb die Lauenburger ihre Abgeordneten direkt in den Provinziallandtag wählen. Nicht zur Provinz zählten der zum Land Oldenburg gehörende Landesteil Lübeck (siehe Fürstbistum Lübeck) und das bis 1937 eigenständige Lübeck (siehe Groß-Hamburg-Gesetz).
Der Provinziallandtag wird demokratisch
1921 zogen auch für die Provinz Schleswig-Holstein demokratische Strukturen ein. Bis 1933 wurden die 59 bis 61 Abgeordneten des Provinzial-Landtages in freien, geheimen, direkten und gleichen Wahlen ermittelt. Trotzdem schafften in dieser Zeit nur sechs Frauen den Einzug in den Landtag. Von denen gehörten drei der SPD, zwei der KPD und eine dem bürgerlichen „Volkswohl“ an. Die bekannteste Frau im Provinziallandtag war Alma Wartenberg (*1871-1928†) aus Altona. Die engagierte Sozialdemokratin hatte sich im Kaiserreich auch über Schleswig-Holstein hinaus einen Namen gemacht. Sie setzte sich für Familienplanung, Geburtenkontrolle und das Selbstbestimmungsrecht der Frauen über ihren Körper ein.
Mehr Rechte für Kiel
In der gesamten Weimarer Republik hatten die bürgerlich-konservativen Parteien eine Mehrheit im Provinziallandtag und damit auch in seinen Gremien. Als geschäftsführenden Beamten wählte der Provinziallandtag den Landeshauptmann, der die Beschlüsse des Provinziallandtages ausführte und außerdem auch eigene Initiativen entwickeln konnte. Der schleswig-holsteinische Provinzialverband war für Aufgaben zuständig, die Kreis übergreifend zu regeln waren: Wegewesen, Siedlungs- und Landschaftswesen, Volksfürsorge (Gesundheitswesen), Erwerbslosenfürsorge (bis Mitte 1927) Schulwesen und Kultur. Bis 1920/21 auch für das Steuerwesen, danach erhielt man anteilig Einnahmen aus dem Reich und dem Land Preußen.
Die Provinz bekommt Einfluss
Der Provinziallandtag tagte in der Regel zweimal jährlich in Kiel (1919 noch im Haus der Landwirte, von 1920 an im Ratssaal). Seine laufenden Geschäfte wurden durch einen zehnköpfigen Provinzialausschuss umgesetzt. Aus dessen Mitte wurden fünf Mitglieder in ein weiteres Gremium gewählt: dem Provinzialrat. Letzterem gehörten noch der Oberpräsident und ein höherer Verwaltungsbeamter an. Gemeinsam übten diese sieben die staatliche Aufsicht über die Gemeinden aus. Überregional bekam der Provinziallandtag in der Weimarer Zeit mehr Gewicht. Er wählte nun direkt die drei schleswig-holsteinischen Mitglieder des preußischen Staatsrats. Das waren in der Regel zwei Bürgerliche und ein Sozialdemokrat. Indirekt über den Provinzialausschuss wurde ein Mitglied und ein Stellvertreter für den Reichsrat bestimmte. Anton Schifferer (*1871-1943†) von der Deutschen Volkspartei (DVP) war von 1921 bis 1933 durchgehend der Vertreter Schleswig-Holstein im Reichsrat. Staats- und Reichsrat nahmen für die Provinz Einfluss auf die Gesetzgebung und die Verwaltung von Preußen beziehungsweise des Deutschen Reichs. Durch ein Mitwirkungs- und Einspruchsrecht kam ihnen faktisch die Bedeutung einer zweiten Kammer neben dem Land- und dem Reichstag zu.
Vier freie Wahlen
Bei den vier Wahlen zum Provinziallandtag bemühten sich die größeren bürgerlichen Parteien Einheitslisten zu bilden. Dazu kamen noch die SPD und KPD, später auch die NSDAP sowie diverse kleinere Listen aus den Kreisen. In der Regel bestimmte eine bürgerlich-konservative Mehrheit die Geschicke des Provinzialverbandes. Bis 1929 herrschte ein den Konsens suchender Stil im Miteinander der Abgeordneten vor. Der Umgangston änderte sich, als die NSDAP begann regional Wahlen zu gewinnen. In Norder- und Süderdithmarschen wurden die Nationalsozialisten 1929 stärkste Partei und entsandten sieben Abgeordnete nach Kiel. Deren anti-parlamentarische Haltung veränderte die Atmosphäre. Dazu kamen permanente antisozialdemokratischen Angriffe der KPD auf den ihr verhassten SPD-Oberpräsidenten Heinrich Kürbis (*1873-1951†) . Angriffe auf die jeweiligen Gegner und Reden, die sich mit der allgemeinen Politik auseinandersetzten bestimmten nun die meisten Sitzungen. An konstruktiver Sacharbeit war den Nationalsozialisten nicht gelegen. Der Provinziallandtag diente ihnen lediglich als Bühne für ihre Angriffe auf das ihnen verhasste demokratische „System“.
Das Ende des Provinziallandtags
Im Nationalsozialismus verlor der Provinziallandtag seine Funktion und tagte zum letzten Mal im April 1933. Aufgelöst wurde er zum 1. Januar 1934. Die noch übrig gebliebenen Aufgaben übernahm der neue Oberpräsident, NSDAP-Gauleiter Hinrich Lohse (*1896-1964†). Der im Juli 1933 neu installierte preußische Staatsrat hatte lediglich repräsentative Aufgaben. Neben Gauleiter Lohse wurde das vormaligen Reichsratsmitglied Anton Schifferer Mitglied im Staatsrat. Nach dem Zweiten Weltkrieg führte die von den Alliierten angeordnete Auflösung des Landes Preußen dazu, dass Schleswig-Holstein nicht mehr länger eine Provinz war. Es wurde zu einem eigenständigen Bundesland mit einem Landtag. Dessen Abgeordnete wurden von 1947 bis 2000 auf vier Jahre gewählt. Mit dem Beginn der 15. Legislaturperiode am 28. März 2000 ist auch für Schleswig-Holstein eine fünfjährige Wahlperiode eingeführt worden.
Nur über die Wahlen zum Provinziallandtag liegt schon Literatur vor. Seine Geschichte, die behandelten Inhalte der Sitzungen und seiner Gremien warten bis heute darauf ausführlich erforscht zu werden.
Frank Omland (TdM 0810 /0721)
Literatur: Frank Omland, „Wie wähle ich?“- Die Provinziallandtagswahlen in Schleswig-Holstein 1921-1933. In: Detlev Kraack / Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt (Hg.): Brückenschläge aus der Vergangenheit, Festschrift für Peter Wulf zu seinem 70. Geburtstag. SWSG Bd. 44. Neumünster 2008, S. 265-294; Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt/Ortwin Pelc (Hg.), Das Neue Schleswig-Holstein-Lexikon, Neumünster 2006; Klaus Dieter Grunwald, Die Provinzialverwaltung und ihre Organe in der preußischen Provinz Schleswig-Holstein1867 bis 1945, Ein Überblick über die provinzielle Selbstverwaltung in Schleswig-Holstein. Kiel 1971; Kurt Jürgensen, Die Gleichschaltung der Provinzialverwaltung, Ein Beitrag zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Herrschaft in Schleswig-Holstein (1932-1934). In: „Wir bauen das Reich“, Aufstieg und erste Herrschaftsjahre des Nationalsozialismus in Schleswig-Holstein, hrsg. von Erich Hoffmann / Peter Wulf, Neumünster 1983
Bildquellen: Vignette SHLB: Siegel des Landtages; Haus der Landwirtschaft, Kieler Rathaus, Ratssaal Kiel aus Jürgen Jensen, Kieler Stadtporträt 1970/1920 – Der Einzug der Moderne im Spiegel der Bildpostkarte, Sonderveröffentlichung der Gesellschaft für Kieler Stadtgeschichte 42, sämtliche Bilder aus dem Bestand des Stadtarchiv Kiel, Heide 2002, Verlag Boyens & Co, ISBN 3-8042-1109-7; Grafik – Frank Omland; Vier freie Wahlen – aus „Heider Anzeiger“ 1929 und Wahlanzeige NSDAP – Dithmarscher Bote 14.11.1929 aus dem Archiv von Frank Omland