Archäologische Funde galten Anfang des 19. Jahrhunderts als „Altertümer“. Sie zu suchen, behauenen Flint, Bronzefibeln oder Keramikscherben zum Gegenstand des Sammelns und Forschens zu machen, war neu. Ein Jahr bevor der dänische Kronprinz als König Friedrich VI. 1808 den Thron bestieg, regte er an, für Dänemark eine „Kommission zur Bewahrung von Alterthümern“ auf den Weg zu bringen. Sie war es auch, die 1831 mit einem Brief nach Kiel initiierte, dass schließlich 1835 auch dort ein „Museum für Vaterländische Altertümer“ eröffnete. Es war das erste seiner Art in den Herzogtümern und gilt als Keimzelle des Archäologischen Landesmuseums.
Post aus Kopenhagen
Der Brief aus Kopenhagen vom 20.September 1831 war an den Rechtsgelehrten Nikolaus Falck (*1784–1850†) in Kiel adressiert. Er galt in Holstein als der Ansprechpartner, wenn es darum ging, für Geschichte zu interessieren. 1833 sollte er zu den Gründern der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte gehören. Um sich auch für das Sammeln und Konservieren von Altertümern engagieren zu können, genügte es nicht, einen Aufruf an Interessierte aufzusetzen. Es fehlte in dieser Zeit noch weitgehend das Bewusstsein. Das konnte nur durch Beispiele geweckt werden. Deshalb schickte die Kommission auch die ersten Stücke für die Sammlung. Falck bekam bald nach dem Brief aus Kopenhagen Hilfe von Friedrich von Warnstedt (*1785-1836†) aus Plön angeboten. Der Oberlandwegeinspektor bot seine Sammlung als Grundstock für ein neues Museum an. Falck und von Warnstedt gründeten schließlich die „Schleswig-Holstein-Lauenburgische Gesellschaft für die Sammlung und Erhaltung vaterländischer Alterthümer“. Am 27. Mai 1834 wurde das Statut von Friedrich VI. (*1768/ 1808-1839†) bestätigt.
Start in der Flämischen Straße
Das neue Museum fand in Kiel Platz in einem Nebengebäude des Oberappellationsgerichts in der Flämischen Straße. Hilfe kam aus Kopenhagen. Das Museum für Nordische Altertümer schickte 300 ausgewählte Objekte für das neue Haus. Dazu kamen die 516 Stücke von Warnstedts. Christian Flor (*1792-1875†) wurde erster Kurator des „Museums für Vaterländische Altertümer“. Flor lehrte an der Christian-Albrechts-Universität. Die enge Bindung von Universität und Landesarchäologie begann damals und dauert bis heute an.
Archäologische Kriegswirren
In den 1840er Jahren spitzte sich der deutsch-dänische Konflikt zu. Er kulminierte schließlich 1848 in der Erhebung Schleswig und Holsteins gegen Dänemark. Im Ergebnis scheiterten die „Schleswigholsteiner“. 1852 waren beide Herzogtümer wieder Teil des dänischen Gesamtstaates. Doch das Misstrauen blieb. Im Bestreben die von deutscher Seite propagierte Einheit Schleswigs und Holsteins in Frage zu stellen, wurde 1852 in Flensburg die „Königliche Sammlung für nordische Altertümer“ angelegt. 1858 schließlich wurde Bürgern aus dem Herzogtum Schleswig die Mitgliedschaft in der Kieler – also Holsteiner – Gesellschaft verboten. Bevor 1864 im 2. Schleswigschen Krieg die preußischen und österreichischen Truppen gen Norden vorrückten, wurde die Sammlung aus Flensburg nach Dänemark in Sicherheit gebracht. An der Förde blieb jedoch das 1863 gehobene Nydamboot. Der Wiener Friede vom 30. Oktober 1864 verlangte von den Dänen, die Flensburger Stücke zurückzugeben. Das geschah dann auch vertragsgemäß, jedoch erst 1868, also ein Jahr nach der Annexion von Schleswig und Holstein durch die Preußen. Was aus Dänemark zurückkehrte, wurde gleich nach Kiel gebracht. Als das Museum 1869 in die Kehdenstraße umzog, wurde dort weiterhin nur der Kieler Bestand gezeigt. Der Flensburger blieb vorerst eingelagert. Ein Teil der rund 2.000 Funde aus dem Thorsberger Moor in Angeln, dem Sundeved, von den Inseln Als und Ærœ sowie Schleswig wurden erst nach einem erneuten Umzug der Kieler Sammlung von 1877 an gezeigt.
Unter dem Dach der Universität
Die von Falck und von Warnstedt gegründete Gesellschaft wurde am 21. April 1873 aufgelöst. Das Eigentum an der Kieler Sammlung ging auf die Universität über. Noch im gleichen Jahr wurden die Kieler und die Flensburger Bestände zum „Schleswig-Holsteinischen Museum Vaterländischer Altertümer“ vereinigt. Professor Heinrich Handelmann (*1827-1891†) hatte schon seit 1866 das Museum als Konservator betreut. Nun wurde der Historiker dessen Direktor und blieb es bis zu seinem Tode. Von 1873 an bekam Handelmann Johanna Mestorf (1828*-1909†) als Kustodin zu Hilfe. Eine Frau als wissenschaftliche Mitarbeiterin war damals einzigartig. Johanna Mestorf prägte durch ihre Arbeit das Museum, organisierte den Umzug 1877 in die Kattenstraße. Große Verdienste erwarb sie sich um die Katalogisierung der Fundstücke. Johanna Mestorf legte damit den Grundstock für die archäologische Forschung in Schleswig-Holstein. 1891 wurde sie im Alter von 63 Jahren Direktorin des Museums und blieb es bis kurz vor ihrem Tod 1909.
Intermezzo zwischen zwei Kriegen
Nach den Volksabstimmungen 1920 (Abstimmungsgebiet) wurde die deutsch-dänische Grenze neu gezogen. Das Moor von Nydam – der Fundort des legendären Kampfbootes – lag nun im Königreich Dänemark. Die Dänen forderten das Boot und anderes der ehemaligen Flensburger Sammlung. Im Gegenzug wollte die deutsche Seite nun Kunstschätze zurück, die 1864 von den Dänen aus Herrenhäusern und Schlössern mitgenommen worden waren. Beide Seiten einigten sich nicht. Alles blieb, wo es war. So war das Nydamboot auch bei der 100-Jahr-Feier 1936 eine der Attraktionen des aus Anlass des Jubiläums jetzt offiziell als „Schleswig-Holsteinisches Museum Vorgeschichtlicher Altertümer“ bezeichneten Hauses. Im Jubiläumsjahr wurde auch die 1907 eingestellte eigene Schriftenreihe wieder neu belebt. Unter dem Namen des sagenhaften Herrschers in Angeln „Offa“ hat sie bis in die Gegenwart Bestand.
Von Kiel nach Schleswig
Als im Zweiten Weltkrieg die Marine- und Werftstadt Kiel zum Angriffsziel für die alliierten Bomber wurde, war es Zeit, die Bestände des Museums in Sicherheit zu bringen. Um 1941 das Nydamboot aus dem Museum zu bekommen, musste dessen Wand eingerissen werden. Verladen auf einer Schute überstand das Boot den Zweiten Weltkrieg auf dem Möllner See. Nicht so das Haus in der Kattenstraße. Es wurde bei einem Luftangriff 1944 zerstört. Für die Sammlung gab es in den Trümmern Kiels nach dem Krieg keinen Platz mehr. Mit dem Segen der britischen Besatzung wurde die Sammlung 1947 nach Schleswig auf die Gottorfer Schlossinsel gebracht. Dort eröffnete 1950 das Museum neu. Zwei Jahre später wechselte es erneut den Namen. Die Altertümer hatten endgültig ausgedient. Nun war es das „Schleswig-Holsteinische Museum für Vor- und Frühgeschichte“.
Stationen in Stichworten
1978 beginnt auf der Schlossinsel der Aufbau der Archäologischen Zentralwerkstätten. Sieben Jahre später bekommt die Wikingerzeit am historischen Ort in Haithabu auf der anderen Seite der Schlei ihr eigenes Museum. 1999 schließlich wird das Archäologische Landesmuseum Teil der Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseen Schloss Gottorf. 2005 beginnt der Bau von inzwischen sieben Häusern nach archäologischen Befunden am Haddebyer Noor auf der historischen Siedlungsfläche von Haithabu. 2010 kann sowohl die völlig überarbeitete Wikingerausstellung wieder eröffnet und eine neue Magazinhalle in Betrieb genommen werden. Das Museum ist eng mit dem Archäologischen Landesamt verbunden. Das und die Christian-Albrechts-Universität graben heute vor allem systematisch, wo die Spuren der Vergangenheit durch Baumaßnahmen bedroht sind. War in den 1830er Jahren Archäologie noch etwas Neues, so gibt es heute auch viele Freizeitarchäologen. Sie arbeiten eng mit Museum und Landesamt zusammen. Ihre Funde helfen, Stück für Stück das Bild vom Leben in Schleswig-Holstein in der Vor- und Frühgeschichte zu komplettieren. Um metallene Spuren der Vergangenheit aufzuspüren, gibt es seit 2005 eine Gruppe von inzwischen über 80 geprüften Detektorgängern.
Eine der größten Sammlungen
Aktuell verfügt das Archäologische Landesmuseum über mehr als 10 Millionen Fundstücke. Heute ist sie eine der größten Sammlungen in einem Bundesland, herausragend vor allem auch durch die Vielzahl so genannter „Feuchtfunde“ aus Mooren und Gewässern, wie das Nydamboot. Im Bestand sind immer noch 299 der 300 Funde, die zum Start vor über 175 Jahren aus Kopenhagen gekommen sind. Es fehlt nur das Stück Nummer 1, ein Steinbeil. Über dessen Verbleib gibt es nur Gerüchte. Ein nahe liegendes: das Stück ist als Souvenir eines verdienten Direktors mit in Pension gegangen.
-ju- (TdM 0113/0621)
Aktuelles zum Archäologischen Landesmuseum auch unter: www.schloss-gottorf.de/archaeologisches-landesmuseum
Quellen: Ralf Bleile und Claus von Carnap-Bornheim (Hrsg.): 175 Jahre Archäologisches Landesmuseum – 2011, Stiftung Schleswig-Holsteinische Landesmuseum Schloss Gottorf
Bildquellen: Stiftung Schloss Gottorf, Archäologisches Landesamt, SHLB