Mit dem Stecknitzkanal oder der „Stecknitzfahrt“ wurde 1398 der erste Kanal in Europa vollendet, der eine Wasserscheide überwand. Betrieben hatte den Bau des elf Kilometer langen „Grabens“ vom Elbenebenfluss Delvenau zum Möllner See Lübeck. Ziel war es, von dort über die Stecknitz zur Trave einen schiffbaren Weg für das Salz aus den zu dieser Zeit schon von Lübecker Kaufleuten kontrollierten Lüneburger Salinen in die Hansestadt zu schaffen. Der Zufluss an Salz sicherte der Stadt vor allem ihre dominierende Position im lukrativen Handel mit Heringen aus der Ostsee.
Die Vorgeschichte
1143 wurde Lübeck neu gegründet. Mit seinem Aufstieg als deutsche Handelsstadt und der Kolonisierung des nach der Völkerwanderungszeit slawisch besiedelten östlichen Holsteins wurde der bis dahin über Eider und Treene am Ende über Land nach Schleswig führende Transitverkehr bedeutungslos. Seit 1350 versuchte Lübeck, seinen Nachbarn die Erlaubnis abzuhandeln, einen Wasserweg für das Salinensalz zu schaffen. Erst im Juni 1390 gelang es, mit Herzog Erich IV. von Sachsen-Lauenburg-Ratzeburg (*1354/Herzog1368-1411†) den entscheidenden Vertrag zu schließen. Ein Jahr später begann der Bau des Grabens. Ein schwieriges Unterfangen: Immerhin war auf der Wasserscheide der 20 Meter hohe Möllner Berg zu überwinden. Eine für das Ende des 14. Jahrhunderts technische Großtat, die nur durch eine für ihre Zeit hoch organisierte Stadt, nicht jedoch durch einen Territorialherrscher zu leisten war (Jessen-Klingenberg).
Ein Kanal für Kähne
13 Schleusen waren zu bauen, um die Höhenunterschiede zu überwinden. Bis zum Ende des 17. Jahrhunderts kamen vier weitere dazu. Ausgelegt war die Wasserstraße für Kähne, die 12 Meter lang, 2,50 Meter breit waren und bei nur 30 bis 40 Zentimeter Tiefgang 7,5 Tonnen Salz transportieren konnten. Die Fahrt von Lauenburg nach Lübeck dauerte zwei bis drei Wochen. Bei 55 Kilometer Luftlinie verlängerten die gewundenen Läufe der Flüsse die Strecke, die getreidelt oder gesegelt werden musste, auf 97 Kilometer. Zurückgerechnet auf Basis des „Grabenzolls“ war der Stecknitzkanal eine vielbefahrene Wasserstraße. Anfang des 16. Jahrhunderts passierten pro Jahr (Hammel-Kiesow) zwischen 800 und 1.500 Kähne die Wasserstraße. In dieser Zeit vollzog sich auch ein Generationswechsel der Stecknitzkähne. Sie wurden nun 19 Meter lang gebaut, waren reichlich drei Meter breit und trugen nun bis zu 12,5 Tonnen.
Das Ende: zu lang zu klein
Von 1821 bis 1823 wurde der flache Graben auf 1.40 Meter ausgebaggert. Überholt wurde er schließlich durch die Eisenbahn, die von 1851 an Lübeck in Büchen mit der Strecke Hamburg-Berlin verband. Nach genau 500 Jahren wurde 1898 die Stecknitzfahrt endgültig eingestellt. Bis 1900 wurde – zum Teil auf der alten Kanaltrasse – der Elbe-Lübeck-Kanal gebaut. Er war groß genug für die leistungsfähigen Binnenschiffe der damaligen Zeit und konnte im Massengutverkehr dadurch wieder mit der Bahn konkurrieren. Vom Stecknitzkanal blieben nur Reste wie etwa die älteste Kammerschleuse in Europa, die Palmschleuse in Lauenburg. Das Elbschiffahrtsmuseum dort gibt einen guten Einblick auch in die Stecknitzfahrt.
-ju- (1203/1004/0721)
Literatur: Jörg Meyn in Eckardt Opitz (Hrsg.), Herzogtum Lauenburg – Das Land und seine Geschichte – Ein Handbuch, 2003, Neumünster, Wachholtz-Verlag, ISBN 3-529-02060-5; Manfred Jessen-Klingenberg in „Nord-Ostsee-Kanal 1895 – 1995“, hrsg. im Auftrag des Bundesministers für Verkehrs, 1995, Neumünster, Wachholtz Verlag, ISBN 3 529 05319 8 (auch Bildquelle)