Am 4. November 1962 wurde in Großhansdorf beschlossen, die „Schutzstation Wattenmeer – Arbeitsgemeinschaft für Naturschutz“ zu gründen. Die Initiative ging von Reinhard Schönfeldt (*1933-2004†) aus. Zweiter im Bunde war Uwe Dulz (*1934-2020†) und dazu kam noch Gert Oetken (*1932-2016†). Als am 22. Februar 1963 der Eintrag ins Vereinsregister erfolgte, wurde Gert Oetken als „Vorsitzer“ eingetragen. Ziel war es, eine neue Art von Naturschutz zu begründen. Das Wattemeer sollte als Ganzes gesehen werden, der Schutz nicht mehr allein auf Vogelfreistätten begrenzt sein. Regelmäßige Naturbeobachtung sollte helfen, die wissenschaftliche Basis zu verbreitern. Vor allem meinten die Gründer, das Wissen und die Liebe zu dem einmaligen Lebensraum Wattenmeer müsse durch „pädagogischen Naturschutz“ ergänzt werden. Diese damals neuen Gedanken wurden in der Denkschrift „Großreservat Halligmeer“ publiziert.
Start mit Bake und Postkarten
Die stilisierte Rettungbake von Süderoogsand wurde bald zum Symbol der Schutzstation. Mit Postkarten verdiente der neue Verein sein erstes, eigenes Geld. Während das Konzept des ganzheitlichen Schutzes des Wattenmeers immer mehr Freunde fand, verstrickte sich Reinhard Schönfeldt immer tiefer in den Streit mit dem „Verein Jordsand“. Jordsand war 1907 gegründet worden, besaß im Wattenmeer Norderoog und betreute weitere „Vogelfreistätten“. Die standen für den Verein im Vordergrund. Für Schönfeldt, der den Blick auf das Ganze forderte, ein veralteter Ansatz. Er verhedderte sich im Streit mit Jordsand und strengte einige Prozesse an. Als die Schutzstation dafür die Kosten übernehmen sollte, kam es zum Eklat. Schönfeldt kündigte Ende 1964 seine Mitgliedschaft und wandte sich vom Naturschutz ab.
Die Station der Station auf Hooge
Die Schutzstation Wattenmeer wurde von Zahnarzt Gert Oetken und seiner Frau Ursula von der Praxis in Rendsburg aus geleitet. 1963 kam er auf Hallig Hooge mit Ernst Boyens zusammen, der für die Schutzstation eine nach der Sturmflut 1962 neuerbaute Scheune zugänglich machte. Dort begannen 1963 die legendären Pfingstkurse und bald startete das erste Info-Zentrum der Schutzstation. Mit der Broschüre „Zum Watt geführt“ startete ein Bestseller des pädagogischen Naturschutzes. Uwe Dulz setzte mit der Denkschrift „Großreservat Halligmeer“ einen frühen Impuls für die beginnende Nationalparkdiskussion.
Die Schutzstation und der Nationalpark
Nach einem ersten Beschnuppern von Landesjagdverband und Schutzstation während eines Seminars auf Hooge wurde 1968 die Ausstellung „Schützenswertes Wattenmeer“ in Kiel während der Landesjagdausstellung in der Ostseehalle gezeigt. Die Jägerschaft wurde darauf initiativ und forderte von CDU-Landwirtschaftsminister Ernst Engelbrecht-Greve (*1916-1990†) einen Nationalpark Nordfriesisches Wattenmeer. Damit begann die Diskussion. Einen wesentlichen Impuls bekam sie am 15. Juli 1971, als der damalige Bundesnaturschutzbeauftragte Prof. Bernhard Grzimek mit einem Hubscharuber auf Hallig Hooge einschwebte und im Infozentrum der Schutzstation mit Gert Oetken und Halligleuten diskutierte. Grzimek machte sich dafür stark, dass im nordfriesischen Wattenmeer (nach dem Bayrischen Wald 1970) der erste „richtige Nationalpark“ in Deutschland entstehen sollte. 1974 entstand zumindest das Naturschutzgebiet , für das die Schutzstation mit den Betreuungsauftrag vom Land bekam. Der Kampf ging für die Schutzstation weiter bis 1985 dann der Nationalpark Schleswig-Holsteinisches Wattenmeer entstand.
Zivis, Buftis und FÖJ-dler
Am 30. Mai 1972 begann in Husum der 12. Deutsche Naturschutztag. Der Nationalpark Wattenmeer war zentrales Thema. Die Schutzstation brachte sich stark ein und begeisterte auch mit ihrer großen Wattenmeer Ausstellung. Die intensiven Vorarbeiten machten aber auch klar, dass die immer umfangreichere Arbeit und der Aufbau von weiteren Stationen neben Hooge nicht mehr allein „nebenbei“ von Ehrenamtlern zu schaffen war. Im Rahmen eines Modellversuchs wurde es 1972 möglich, Zivildienstleistende auch im Naturschutz einzusetzen. Auf Föhr entstand das zweite Infozentrum. Weitere folgten in regelmäßigen Abständen. Bis 2011 – bis zum Ende der Wehrpflicht – taten rund 1.000 Zivildienstleistende Dienst bei Schutzstationen. Seitdem rekrutiert der Verband vor allem über das „Freiwillige ökologische Jahr“ (FÖJ) und den Bundesfreiwilligendienst die intern als „Schutten“ bezeichneten Helfer, die inzwischen überwiegend weiblich sind.
Die wilden 1970er und 1980er
Die 1970er und1980er Jahre waren u. a. durch die erregte Nationalparkdebatte geprägt. Als 1974 eine geheime Studie der Firma Donier durchgesteckt wurde, die feststellte, dass allein im Nordfriesischen Wattenmeer Platz für den Bau von acht Atomkraftwerken sei, startete die Schutzstation eine Kampagne mit einem durchgestrichenen Atommeiler und der Aufschrift „Auch nicht im Wattenmeer“. Die Naturschützer zogen auch mit bei den großen Demonstrationen gegen den Bau des Kernkraftwerks in Brokdorf. Die Verschmutzung und Vermüllung der Nordsee wurde im Wattenmeer ebenfalls immer deutlicher erkennbar. Gerd Oetken erfand für die zweite internationale Nordseeschutzkonferenz 1987 in London die Aktion „Return to sender“. Im Flutsaum im Watt wurde Plastikmüll aus England gesammelt und in London fernsehwirksam vor das Elisabeth II.-Kongresszentrum geschüttet. Die Schutzstation wurde dadurch international bekannt. Im Mai 1988 kam das Seehundsterben dazu. Im Herbst wurden die ersten Kegelrobben an den Stränden von Sylt entdeckt und das Thema Schweinswalschutz rückte in den Vordergrund.
Krise des Ehrenamts
Als die Schutzstation 1987 in Büsum ihr 25-jähriges Jubiläum feierte, konnten die Aktiven stolz sein darauf, dass sie inzwischen fest in die Arbeit des neuen Nationalparkes integriert und mit inzwischen 20 Stationen fast überall an der Westküste präsent waren. Doch gerade das Thema Umweltschutz nahm einen immer größeren Raum ein. Die Arbeit war nicht länger im Ehrenamt zu leisten. Damit begann die Professionalisierung der Arbeit der Schutzstation. Nach 47 Jahren gab Gerd Oetken 2009 den Vorsitz ab. Sein Nachfolger wurde Johann (Johnny) Waller aus Dithmarschen. Er kam über die Arbeit als Zivildienstleistender auf Hooge zur Schutzstation. Mit dem Generationswechsel wurde auch Harald Förster hauptamtlicher Geschäftsführer. Die Geschäftsstelle wechselte 2011 von Rendsburg in das Nationalparkhaus am Husumer Hafen, das die Schutzstation sich unter anderem mit dem WWF-Wattenmeerbüro teilt. Die „Naturschutzgesellschaft Schutzstation Wattenmeer“ verfügt heute über 21 Stationen zwischen Friedrichskoog und Rantrum auf Sylt, die ihr zum Teil gehören; sie beschäftigt 35 hauptamtliche Mitarbeiter und wird durch rund 100 junge Leute des Bundesfreiwilligendienstes, des „Freiwilligen Ökologischen Jahrs“ sowie Praktikanten unterstützt. Pro Jahr werden inzwischen 300.000 Menschen an die Natur des Wattenmeeres herangeführt. Zusätzlich werden Gebiete geschützt und durch Forschungsprojekte und kontinuierliche Zählungen die Entwicklung des Wattenmeeres dokumentiert. Derzeit läuft bei der Schutzstation vor allem die Digitalisierung dieses Monitorings.
Werner Junge (1122*)
Literatur: Hans-Peter Ziemek/Rainer Schulz, 60 Jahre – Chronik der Schutzstation Wattenmeer, Husum 2022 (zu beziehen über die Schutzstation); Dietmar Wienholt, Laudatio zur Verleihung der „Goldenen Ringelgansfeder“ 5. Mai 2007, https://ringelganstage.de/application/files/7015/1689/4272/Oetken_2007.pdf
Abbildungen: Vignette / Führung im Watt/Großreservat/ Besuch Grzimek: Bildarchiv Schutzstation Wattenmeer; Zivis: Bildarchiv Michael Kisch; Brokdorf: Foto Werner Junge