Am 24. Juli 1844 hatte das „Schleswig-Holstein-Lied“ seine Premiere beim Schleswiger Sängerfest. Komponiert hatte es der Schleswiger Kantor Carl Gottlieb Bellmann (*1772-1861†), der uns heute bekannte Text stammt von dem Advokaten Matthäus Friedrich Chemnitz (*1815-1870†). Er schrieb ihn nur wenige Tage vor dem Volksfest. Den Ursprungstext hatte der Berliner Rechtsanwalt Karl Friedrich Straß (*1803-1864†) geschrieben. Er hatte 1842 oder 43 bei einem Besuch Bellmann kennengelernt. Als für das Sängerfest ein zündendes Lied gesucht wurde, taten sich beide zusammen. Zur hymnischen Musik vom Bellmann schrieb der dichterisch begabte Straß vier Strophen, die vor allem die Schönheit des Landes seiner Vorfahren priesen. Die erste Strophe lautet:

Schleswig, Holstein, schöne Lande,
Wo mein Fuß die Welt betrat;
O, daß stets an eurem Strande
Keime wahren Glückes Saat!
Schleswig, Holstein, stammverwandt,
haltet fest der Eintracht Band!

schleswig-holstein-liedDoch kurz vor dem Sängerfest empfand die einladende Liedertafel den Text als zu harmlos. Die Stimmung war brisant. Die Sängerfeste waren auch politische Veranstaltungen. Es war die Zeit des „nationalen Erwachens“. Immer schärfer wurde der Gegensatz innerhalb des dänischen Gesamtstaats. Die Bewohner der Herzogtümer fühlten sich mehrheitlich und immer stärker als Deutsche. Der Gegensatz manifestierte sich vor allem in einem Kultur- und Sprachenstreit. Im nördlichen Teil Schleswigs, wo vor allem die ländlichen Gebiete dänisch geprägt waren, wuchs der Widerstand gegen die deutsche Sprache vor Gericht und in der Verwaltung. Es entstand die Dänische Bewegung. 1840 wurde in Nordschleswig Dänisch als Amtssprache eingeführt. 1842 kam es in der Ständeversammlung in Schleswig zum Streit, weil der dänischgesinnte Abgeordnete Peter Hiort Lorenzen (*1791-1845†) sich auf Dänisch zu Wort meldete. Sein Ziel war es, Dänisch neben Deutsch als zweite Amtssprache gleichberechtigt in ganz Schleswig durchzusetzen. Der Vorfall hatte ein Nachspiel. Kurz vor dem Sängerfest hatte König Christian VIII. (*1786/1839-1848†) zur Eröffnung der folgenden Ständeversammlung sein „allerhöchtes Mißfallen“ über den Streit der vorangegangenen Sitzung geäußert, der geeignet gewesen sei, „das gegenseitige Vertrauen zu schwächen, durch welches das wahre Wohl sämmtlicher unter Unserm Scepter vereinigten Lande bedingt werde“. Die Zurechtweisung wurde als ungerecht empfunden. In dieser Situation erschienen der Liedertafel die Worte von Straß zu schwach. Der Rechtsanwalt Chemnitz schrieb deshalb einen neuen Text mit sieben Strophen. Das Lied machte Furore, wurde bald im ganzen Land gesungen und gehörte zum Repertoire für jede Drehorgel. Vom Ursprungstext behielt Chemnitz nur die vorletzte Zeile „Schleswig-Holstein stammverwandt“ und zwei weitere Zeilen in der vierten Strophe bei. Hatte Straß noch, wie es staatsrechtlich korrekt war, Schleswig und Holstein durch ein Komma getrennt, setzte Chemnitz einen Bindestreich und meinte damit, daß Schleswig-Holstein ein eigenständiges Land sei.

Schleswig-Holstein, meerumschlungen,
Deutscher Sitte hohe Wacht.
Wahre treu, was schwer errrungen,
Bis ein schön’rer Morgen tagt!
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
Wanke nicht mein Vaterland

Die übrigen Kehrreime enden mit der Aufforderung, „treu“ zu bleiben, „festzustehen“ und „auszuharren“. Das Ziel dieses Abwartens, das nicht genannt wird, war möglicherweise der Zusammenschluss mit einem geeinten Deutschland. Vielleicht spielte der Text jedoch auch auf die Thronfolge an. Diskutiert wurde damals im Falle eines Aussterbens der männlichen Linie des dänischen Königshauses die Herzogtümer aus dem dänischen Gesamtstaat herauszulösen, um einen eigenen Staat unter einem Herzog aus dem Hause Augustenburg bilden zu können. Vaterland stand so damals auch nicht für Deutschland, sondern für Schleswig-Holstein, doch dieses Land sei deutsch, sogar ein besonderer Bewahrer des Deutschtums, wie der zweite Vers der ersten Strophe feststellt. Dem Begriff Deutsch werden „Tugend“ und „Treue“ zugeordnet. Die vierte Strophe, die als einzige mit zwei Ursprungszeilen beibehalten wurde, zeigt, dass Chemitz daran gelegen war zuzuspitzen.

Gott ist stark auch in den Schwachen,
Wenn sie gläubig ihm vertraun;
Straß: Und ein gut gelenkter Nachen
Chemnitz: Zage nimmer, und dein Nachen
Straß: Kann trotz Sturm den Hafen schaun
Chemnitz: Wird trotz Sturm den Hafen schaun

„Nachen“ ist der poetische Begriff für ein Boot. Die letzte Strophe von Chemitz beschreibt auf neue Art das angestrebte staatsrechtliche Verhältnis der Herzogtümer zu Dänemark:

Teures Land, du Doppeleiche
Unter einer Krone Dach,
Stehe fest und nimmer weiche,
Wie der Feind auch dräuen mag!
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
Wanke nicht, mein Vaterland!

Eine Doppeleiche hat zwei Stämme, die aus einer Wurzel wachsen, also „stammverwandt“ sind. Ihre Kronen bilden wieder ein gemeinsames Dach. Mit diesem Bild wird beschrieben, dass Schleswig und Holstein untrennbar zusammengehören. Die Krone steht auch für den Landesherren, den Herzog von Schleswig und Holstein, der Schutz gewährt. Nach dem Empfinden der damaligen Zeit hatte das Lied eine „eingängige, ungemein zündende“ Melodie, die im Stile der französischen Revolutions- und Nationallieder komponiert wurde und für die Bellmann auch Anleihen bei der Marseillaise machte. Das Schleswig-Holstein-Lied stieg dadurch bald neben dem Wappen und der Flagge zu einem weiteren Nationalsymbol auf. Der vollständige Text (die Ziffern weisen auf heute nicht mehr gebräuchliche Begriffe oder unbekannte Bezüge hin und werden am Ende erklärt):

Wanke nicht, mein Vaterland

Schleswig-Holstein, meerumschlungen,
Deutscher Sitte hohe Wacht,
Wahre treu, was schwer errungen,
Bis ein schön’rer Morgen tagt!
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
Wanke nicht, mein Vaterland!

Ob auch wild die Brandung tose,
Flut auf Flut von Bai (1)  zu Bai,
O, laß blüh’n in deinem Schoße
Deutsche Tugend, deutsche Treu!
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
Bleibe treu, mein Vaterland!

Doch wenn inn’re Stürme (2) wüten,
Drohend sich der Nord (3) erhebt,
Schütze Gott die holden Blüten,
Die ein milder Süd (3) belebt!
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
Stehe fest, mein Vaterland!

Gott ist stark auch in den Schwachen,
Wenn sie gläubig ihm vertrauen;
Zage nimmer, und dein Nachen
Wird trotz Sturm den Hafen schaun!
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
Harre aus, mein Vaterland!

Von der Woge, die sich bäumet,
Längs dem Belt am Ostseestrand (4),
Bis zur Flut, die ruhlos schäumet
An der Düne flücht’gem Sand (4)!
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
Stehe fest, mein Vaterland!

Und wo an des Landes Marken (5)
Sinnend blinkt die Königsau (4),
Und wo rauschend stolzen Barken
Elbwärts ziehen zum Holstengau (4)!
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
Bleibe treu, mein Vaterland!

Teures Land, du Doppeleiche
Unter einer Krone Dach,
Stehe fest und nimmer weiche,
Wie der Feind auch dräuen (6) mag!
Schleswig-Holstein, stammverwandt,
Wanke nicht, mein Vaterland!

Die Begriffe, soweit nicht im vorhergehende Text beschrieben, bedeuten:
(1) „Bai“ bedeutet Bucht.
(2) „inn’re Stürme“ soll auf die Auseinandersetzungen innerhalb des Herzogtums Schleswig um Deutsch oder Dänisch hinweisen.
(3) „Nord“ meint hier Nordwind und ist zu deuten als die Bedrohung durch dänische Bestrebungen, das Herzogtum Schleswig in Dänemark einzuverleiben und damit von Holstein zu trennen. Damit steht „Süd“ als Bild für den wohltuenden Einfluss, der aus Deutschland in die damals noch unter dänischer Landesherrschaft stehenden Herzogtümer kommt.
(4) Wie in der ersten Strophe des von Hugo Hoffmann von Fallersleben 1841 auf Helgoland geschriebenen „Liedes der Deutschen“ beschreibt Chemnitz hier die Ausdehnung von Schleswig-Holstein von der Ostsee zur Nordsee (Das Bild dafür ist die Flut), von der Königsau nördlich von Hadersleben (als damaliger Nordgrenze des Herzogtums Schleswig zum dänischen Königreich), bis eben zur Elbe.
(5) „Mark“ ist ein Grenze, ein Grenzraum.
(6) „dräuen“ bedeutet drohen.

Henning Unverhau/ ju (0401 / 0721)

Quellen: „Gesang, Feste und Politik“ Deutsche Liedertafeln, Sängerfeste, Volksfeste und Festmähler und ihre Bedeutung für das Entstehen eines nationalen und politischen Bewußtseins in Schleswig-Holstein 1840-1848, Henning Unverhau, 2000, Frankfurt a.M., Verlag Peter Lang, ISBN 3-631-35674-9 ; „Das Schleswig-Holstein-Lied“, Dr. Adolf Moll, Wandsbek, 1936, Alster Verlag Hamburg

Bildquelle: Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek (SHLB)