Das Nydamboot, gezeichnet von seinem Entdecker Conrad Engelhardt
Das Nydamboot, gezeichnet von seinem Entdecker Conrad Engelhardt

Das 23 Meter lange Eichenboot gilt als das bekannteste archäologische Objekt in Schleswig-Holstein. Es wurde von dem in Flensburg tätigen Lehrer und Archäologen Helvig Conrad Engelhardt (*1825-1881†) in den Sommerferien 1859 bis 1863 im Nydammoor am Alsensund acht Kilometer nördlich von Sonderburg ausgegraben. Das hochseetaugliche Ruderboot für etwa 45 Krieger wurde wahrscheinlich um 320 n.Chr. gebaut und als Opfergabe versenkt. Als nach der Erhebung dänischerseits 1851 angeregt wurde, neben des seit 1834 in Kiel im Aufbau befindlichen Archäologischen Landesmuseum eine gesonderte Sammlung für das Herzogtum Schleswig anzulegen, baute der in Kopenhagen geborene und an der Flensburger Gelehrtenschule unterrichtende Engelhardt sie auf.

Der Archäologe Engelhardt

Helvig Conrad Engelhardt
Helvig Conrad Engelhardt

Zwei große Moorfunde und vor allem die für seine Zeit fortschrittliche Dokumentation begründeten den Ruf Engelhardts als Archäologe. Von 1858 bis 1861 grub er in Süderbrarup in Angeln das Thorsberg Moor aus. Er sicherte eine Vielzahl von Waffen- und Rüstungsteilen, die dort im 3. und 4. Jahrhundert zum Ende der römischen Kaiserzeit und am Anfang der Völkerwanderung als Opfergaben im Moor versenkt wurden. Als Lehrer konnte Engelhardt seiner Leidenschaft vor allem in den Schulferien frönen. In den Ferien 1859 begann er auch im Nydammoor zu graben. Ein Jahr vor Ausbruch des 2. Schleswigschen Krieges gelang es ihm, 1863 drei Boote zu finden. Es konnte jedoch nur eines komplett geborgen werden. Das Nydamboot wurde nach Flensburg gebracht und dort gezeigt. Das Eichenboot in Klinkerbauweise mit einer maximalen Breite von 3,24 Meter ist im Moor erstaunlich gut erhalten geblieben und gilt aus Ausnahmefund. Während sich im Thorsberg Moor vor allem Textilien und Leder erhalten haben, Eisen aber nicht, wurde in Nydam auch viele Waffen geborgen. Beide Grabungen erbrachten insgesamt um die 4.000 Fundstücke.

Ein Opferboot als Zankapfel

Karte des Nydammoores am Alsensund: bis 1920 deutsch, seitdem dänisch, vom dänischgesinnten Engelhardt schon 1863 dänisch beschriftet
Karte des Nydammoores am Alsensund: bis 1920 deutsch, seitdem dänisch, vom dänischgesinnten Engelhardt schon 1863 dänisch beschriftet

Als 1864 die Preußen vorrückten, flüchtete Engelhardt nach Seeland. Er nahm die Flensburger Sammlung mit. Nur das Nydamboot – untergebracht auf dem Speicher des Gerichtsgebäudes – musste er an der Förde lassen. Im Wiener Frieden von 1864 wurde auch festgelegt, das Dänemark die Bestände der Flensburger Sammlung wieder zurück in die Herzogtümer überführen musste. 1877 zog das inzwischen in „Schleswig-Holsteinisches Museum für Vaterländische Altertümer“ in Kiel in die Kattenstraße um. Nun konnten auch die Bestände aus Flensburg und das Nydamboot gezeigt werden. Nachdem nach dem Ersten Weltkrieg 1920 im Abstimmungsgebiet die deutsch-dänische Grenze neu gezogen wurde und Nordschleswig Teil des Königreiches Dänemark wurde, lag das Nydammoor nördlich der Grenze. Die Dänen forderten es wie auch die Stücke der ehemaligen Flensburger Bestände zurück. Die deutsche Seite forderte im Gegenzug Kulturgüter ein, die von den Dänen vor den anrückenden Preußen 1864 aus Schlössern und Herrenhäusern nach Dänemark verbracht worden waren. Darauf gingen die Dänen nicht ein. Alles blieb am Ende dort, wo es war. Als im Zweiten Weltkrieg Kiel zum Ziel alliierter Bombenangriffe wurde, retteten die Archäologen das Nydamboot 1941 in einer spektakulären Aktion. Der Giebel des Museums wurde eingerissen, das Nydamboot auf eine Schute verladen und auf dem Möllner See versteckt.

Das Nydamboot bleibt und kehrt zurück

Die Zeichnung einer Leipziger Zeitung von 1865 zeigt, wie das Nydamboot auf dem Speicher des Gerichtsgebäudes in Flensburg gefunden wurde
Die Zeichnung einer Leipziger Zeitung von 1865 zeigt, wie das Nydamboot auf dem Speicher des Gerichtsgebäudes in Flensburg gefunden wurde

Wenige Tage nach Kriegsende, schon am 17. Mai 1945, erkundigten sich die britischen Besatzer nach Verbleib und Zustand des Nydambootes. Die dänische Regierung hatte bereits gefordert, das Boot auszuliefern. Doch die Britten wollten das kostbare Objekt nicht aus ihrem Einflussgebiet verlieren. Schließlich wurde beschlossen, das Nydamboot künftig im neuen Landesmuseum auf Schloss Gottorf zu zeigen. Herbst 1946 begann die Reise vom Möllner See. Am 18. Oktober kam die Schute in der Schlei an. Über Winter blieb sie noch dort. Im Frühjahr 1947 wurde das Nydamboot auf einem Tieflader in einer spektakulären Fahrt durch die enge Schleswiger Innenstadt in die ehemalige Exerzierhalle neben dem Schloss gebracht. Dort blieb das Boot bis 2003. Am 24. März wurde der Giebel der Halle eingerissen, am 6.Mai reiste es nach Kopenhagen. Ein Jahr war es Star einer Sonderschau des Dänischen Nationalmuseums. Aufgeregt war im Vorfeld diskutiert worden, ob das Boot wohl zurückkehren würde, dänische Aktivisten hatten angekündigt, das zu verhindern. Doch nichts passierte. März 2004 traf das Nydamboot wieder wohlbehalten in Schleswig ein.

Schwertransport: Im Frühjahr 1947 wird das Nydamboot durch Schleswig auf die Schlossinsel bugsiert
Schwertransport: Im Frühjahr 1947 wird das Nydamboot durch Schleswig auf die Schlossinsel bugsiert

Werner Junge (1113/0721)

Quellen: Ralf Bleile und Claus von Carnap-Bornheim (Hrsg.): 175 Jahre Archäologisches Landesmuseum – 2011, Stiftung SchleswigHolsteinische Landesmuseum Schloss Gottorf, Michael Gebühr (Hrsg.); Nydam und Thorsberg – Opferplätze der Eisenzeit, 2000, Schleswig, Archäologisches Landesmuseum in  der Stiftung Schleswig-Holsteinsische Landesmuseen Schloß Gottorf

Bildquellen: Stiftung Schloss Gottorf, Archäologisches Landesamt, SHLB