Im Mai 1819 begann auf der Ostsee das Zeitalter der Dampfschifffahrt. Auf dem Schleswig-Holsteinischen Canal erreichte die „Caledonia“ über die Nordsee von England kommend Kiel. Auf Linienfahrt ging das Schiff dann zum ersten Mal am 23. Mai von Kopenhagen aus. Das 30 Meter lange und fünf Meter breite Schiff fuhr bis 1832 im Sommer regelmäßig als Postdampfer zwischen der dänischen Hauptstadt und Kiel. In Kopenhagen musste bei jeder Ankunft das Feuer unter den Kesseln gelöscht werden. Die „Caledonia“ segelte oder wurde dort von Ruderbooten in den Hafen gezogen, der voll mit hölzernen Segelschiffen lag.
James Watt macht die Caledonia fit
Das Schiff wurde 1815 in Glasgow als der vierte englische Passagierdampfer gebaut. So richtig kam er nicht zum laufen, weil die Maschinen nicht effektiv arbeiteten. 1817 kaufte James Watt (*1736-1819†) das Schiff, versuchte die Fehler zu beheben und baute auch einen Rückwärtsgang ein. Alles half nicht. Watt ersetzte schließlich die ganze Anlage durch Zweizylinder-Dampfmaschinen und einen neuen Kessel seiner eigenen Firma Boulton & Watt. Nachdem die „Caledonia“ einige Wettfahrten in ihrer Heimat gewonnen hatte, beschloss Watt 1817, das Schiff den Rhein hochzuschicken. Die Fahrt war von Schwierigkeiten begleitet und überzeugte somit nicht für den Einsatz von Dampfschiffen auf Flüssen mit starker Strömung. 1819 – das Schiff lag inzwischen wieder in England – wurde die Caledonia an den Dänen Steen Andersen Bille verkauft.
Ein Rauchsäule über Rendsburg
In den Herzogtümern hatte die Menschen noch keinen Dampfer gesehen. Von England war die „Caledonia“ von ihrer neuen dänischen Mannschaft immer in Küstennähe hoch bis zur Eidermündung nach Tönning gefahren. Die Fahrt eines Dampfers über die Nordsee war damals noch eine Nachricht und Sensation. Nun sorgte von Ferne die Rauchferne und nah an Eider und Kanal stehend das Maschinengeräusch für Aufsehen. James Watt hatte inzwischen drei Dampfmaschinen mit zusammen 36 Pferdestärken eingebaut, die ihre Kraft auf zwei Schaufelräder übertrugen und damit bis zu 12 Knoten (22 km/h) erreichten.
Als Paketschiff nach Kopenhagen
In der Karibik hatte der Däne Steen Andersen Bille davon gehört, dass diese neue Dampfschifffahrt gewaltige Gewinne bringen könne. Bille kehrte zurück nach Dänemark, kaufte die „Caledonia“, gründete eine Reederei und ließ sich das Recht zusichern, als einziger zwischen Kiel und Kopenhagen zu pendeln. Dafür musste er die Post zwischen den beiden Städten kostenfrei befördern. Jeden Dienstag im Sommer machte sich nun die „Caledonia“ von Kopenhagen aus auf den Weg nach Kiel. Nach Zwischenstationen auf Møn, Falster und Lolland erreichte das Schiff mit einer damals außergewöhnlichen Zuverlässigkeit gegen 8 Uhr am Morgen Kiel.
Übernachten an Deck
Die „Caledonia hatte acht kleine Kabinen und zwei „Conservationszimmer“. Das allerdings nur für die erste Klasse. Alle anderen Passagiere schliefen in Hängematten in einer schnell überfüllten Kabine oder unter zwei Persenningen an Deck. Jeder Passagier erhielt einen Blechnapf. Bei etwas Seegang schlingerte und rollte die „Caledonia“ aufgrund ihres hohen Schwerpunktes sehr viel kräftiger als ein Segelschiff. Die „Caledonia“ erwies sich als äußerst zuverlässiges Fahrzeug, die hohen erwarteten Gewinne blieben allerdings aus. Steen Andersen Bille gab nach drei Jahren auf und verkaufte das Schiff.
Es fuhr unter seinem Nachfolger noch bis 1832 zwischen Kopenhagen und Kiel, bevor es von der größeren und auch schnelleren „Frederik VI.“ abgelöst wurde. Erst 1841 wurde die „Caledonia“ abgewrackt. Nun waren Dampfer fast normal. Als die „Caledonia“ die erste Dampferlinie in er Ostsee aufnahm war es ein mutiges und – wie sich gezeigt hatte – ein zukunftsweisendes Experiment.
-ju- (0122*/0623)
Quellen: Martin Krieger: „Vor 200 Jahren stach die ‚Caledonia‘ in See: Abenteuer zwischen Kopenhagen und Kiel“, in: Wochenendmagazin Sh:Z, Mai 2019; Wikipedia: „Caledonia (Schiff 1815)“; Alfred Dudszus/Alfred Köpcke: „Das große Buch der Schiffstypen“, 1999, Pietsch Verlag, S. 67
Bildquelle: Vignette: aus „Dort Folk i der nittendeaarhundrede, 1897, herausgegeben von Vilhelm Østergaard, gemeinfrei Wikipedia; Caledonia: Kolorierter Holzstich in der Kopenhagener „Illusterste Timende“ nach einer Zeichnung von Carl Emil Baagøe von 1878; Sonntags auf dem Öresund: Bild 1824 von C. W. Eckersberg, Wikipedia; Kajüte: kolorierte Kreidelithographie von Hjalmar Graf Mörner, 1825