300 Seemeilen (das entspricht knapp 560 km) lassen sich einsparen, wenn man nicht den gefährlichen Weg rund Skagen wählen muss, sondern die Elbemündung direkt mit der Ostsee verbindet. Seit dem Mittelalter wurde deshalb versucht, eine künstliche Wasserstraße „Mitten durch das Land“ anzulegen. Der Stecknitzkanal von Lauenburg an der Elbe nach Lübeck ging 1398 in Betrieb, 1529 gelang es für kurze Zeit mit dem Alster-Trave-Kanal Hamburg und Lübeck zu verbinden. Beide Kanäle waren nicht für seegehende Schiffe geeignet. 1773 war der lange währende Gegensatz zwischen Dänemark und den Gottorfer Herzögen friedlich beigelegt. Es begann die Zeit des dänischen Gesamtstaats, der eine auf Ausgleich angelegte Außenpolitik betrieb und im Innern grundlegende Reformen (z. B. die Aufhebung der Leibeigenschaft) vorantrieb. Im Geiste des Merkantilismus sollte die heimische Wirtschaft gefördert werden. Der Plan, einen Kanal für seegehende Schiffe über die Stör und damit von der Elbe aus nach Kiel zu bauen, erwies sich als zu kostspielig. Deshalb entschied man sich für ein Provisorium. Bis Rendsburg sollte die Eider auf gut 130 Kilometern genutzt werden. Von dort mussten 34 Kilometer Kanal gegraben, neun Kilometer Obereiderseen genutzt werden, um die 43 Kilometer bis Holtenau zu überwinden. Insgesamt war von Kiel bis zu den Obereiderseeen ein Höhenunterschied von gut sieben Metern zu überwinden. Um das zu bewältigen, wurden sechs Schleusen gebaut: Holtenau, Knoop, Rathmannsdorf, Königsförde, Kluvensiek und Rendsburg.
Ein teures Projekt
1776 begannen Arbeiter, die Eider zu vertiefen, ein Jahr später wurde der Kanalbau von der Ostsee her in Angriff genommen. Bis zu 4.600 Menschen arbeiteten, um 82 Millionen Kubikmeter Erde zu bewegen, die sechs Schleusen zu bauen und Treidelpfade anzulegen. Nach Problemen mit den Bauunternehmern übernahm der Staat schließlich das Regiment beim Kanalbau. Am Ende kostete das Bauwerk mit 2,4 Millionen Reichstalern ein Mehrfaches der kalkulierten Summe. Die Abmessungen des Kanals entsprachen in etwa denen des heutigen Mittellandkanals. Am 18./19. Oktober 1784 wurde der damals größte Kanal Europas in Betrieb genommen. Gedacht war er zunächst allein für den heimischen Handel. Doch ließ sich das angesichts der Baukosten nicht durchhalten. Schon am 5.Mai 1785 wurde er für den internationalen Verkehr freigegeben. Bis die Kontinentalsperre und die Napoleonischen Kriege die Kanalfahrt fast zum Erliegen brachten, entwickelte sich der Verkehr nur zögernd. Das lag auch an den Gebühren. Sie wurden vom dänischen Königreich hochgehalten, um nicht zu große Einbußen beim Sundzoll (bis 1857) zu riskieren.
Der „Eiderkanal“
1853 wurde der Wasserweg umbenannt in „Eiderkanal“. Nach der Erhebung in den Herzogtümern 1848 bis 1851 sollte es keinen „Schleswig-Holsteinischen-Canal“ mehr geben. Der von oben verfügte Namenwechsel spiegelte jedoch auch die wirtschaftliche Realität. Obwohl 1872 der Verkehr auf 5.222 Passagen anstieg und damit seinen höchsten Stand erreichte, war der Kanal mit seinen 35 Meter langen Schleusen und 3,50 Meter Tiefe nur noch für die in der Küstenschifffahrt verkehrenden kleinen Schiffe wie die Ewer, Kuffs oder Tjalks nutzbar. Die neuen, großen Dampfer mussten auf den langen Weg rund Skagen ausweichen. Sie konnten erst ab 1895 wieder durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal (seit 1948 Nord-Ostsee-Kanal) wieder „mitten durch’s Land“ fahren. Der neue Kanal auf Meeresniveau zerschnitt den nun „Alten Eiderkanal“ mit seiner sieben Meter über der Ostsee liegenden Scheitelstrecke.
Werner Junge (0201/1004/0721)
Quellen: Manfred Jessen-Klingenberg in „Nord-Ostsee-Kanal 1895 – 1995“, Hrsg. Bundesministerium für den Verkehr, 1995, Wachholtz, Neumünster, ISBN 3 529 05319 8; Gerd Stolz, Der alte Eiderkanal, 1983, Boyens &Co, Heide, ISBN 3 8042 0297 7; Werner Junge, Meern dört Land – 200 Jahre Eidercanal, NDR 1 WELLE NORD, Bi uns to Hus, 19.10.1984
Bildquellen: Vignette/Holtenau/Schleuse Knoop: Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek (SHLB); Königsförde: Foto Werner Junge