
Gerhard Paul „Mai 1945: das absurde Ende des „Dritten Reiches“
Laudatio von Werner Junge anlässlich der Verleihung des Preises der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte (GSHG) 2025 am 11.Oktober 2025 im Rahmen des 5. „Tages der Schleswig-Holsteinischen Geschichtein im Hohen Arsenal in Rendsburg. Der Preis wird seit 2008 vergeben und ist Dank der großzügigen Unterstützung der Brunswiker Stiftung mit 5.000 € dotiert.
„Das Ende des Zweiten Weltkrieges und das Ende des Dritten Reiches haben mit Flensburg eine Ortsmarke, doch zwei Daten. Es sind der 8. Mai als Tag der Kapitulation, die über den „Reichssender Flensburg“ verkündet wird, und der 23. Mai, als alles mit der Verhaftung der Regierung Dönitz endet. Das Buch „Mai 1945: Das absurde Ende des ‚Dritten Reiches‘ – wie und wo die Nazi-Herrschaft wirklich ihr Ende fand“ von Professor Dr. Gerhard Paul fokussiert das Augenmerk auf den letzten Monat des Dritten Reiches – und damit auf Flensburg. Was auf dem Weg dorthin, was in den Tagen nach der Kapitulation in dem 14 Quadratkilometer großen Sondergebiet passierte, ist bisher nicht in dieser Klarheit dargestellt worden. Das ist das große Verdienst von Paul. Mit jeder Seite, die man umblättert, wird dem Leser bewusster, dass das „Dritte Reich“ wirklich absurd endete.
Es beginnt mit einer Sternfahrt nach Norden. Parallel ist mit Dönitz der Rest der Reichsregierung auf dem Weg in die virtuelle „Festung Nord“. Auch das Oberkommando fährt nach Norden. Und die SS. Heinrich Himmler hat Limousinen, Omnibusse mit Geld, Gold und Schnaps beladen lassen. Die SS lässt todkranke Holocaustüberlebende in Schiffe und Güterzüge pferchen, oder jagt sie in Todesmärschen nach Flensburg. Dorthin rollen auch Züge mit Giftgas und anderer Munition. Millionen Tonnen davon gelangen in die Ostsee. Dönitz und nicht Himmler hat Hitler zu seinem Nachfolger bestimmt. Während die Regierung Dönitz in ihrer Enklave die Kapitulation vorbereitet, werden deshalb nun aus SS-Größen am Fließband normale Wehrmachtsangehörige, die versuchen, in der Masse unterzutauchen. Nach dem Eintreffen der Briten und der Kapitulation hoffen Dönitz und seine Leute, es gehe nun zusammen mit den Westalliierten gegen Russland. Während alles zusammenbricht, werden nach Kriegsende noch Matrosen hingerichtet, die dachten, der Krieg sei vorbei; ein pompöses Staatsbegräbnis begangen und am Ende beklagt Dönitz, nicht mit zwölf Koffern in die Gefangenschaft fliegen zu können.
Im Buch von Gerhard Paul steckt Etliches an Forschung. Was vor allem begeistert, ist, wie es hier es gelingt, eine bisher eher weniger beachtete wichtige Phase unserer Geschichte für ein breites Publikum zugänglich zu machen. Bücher zur Geschichte dürfen auch spannend sein. Das von Gerhard Paul ist es.
Paul beschreibt alles minutiös, er erschließt dafür auch neue, regionale Quellen, darunter viele Fotos. Sehr genau erzählt er, wie die Bilder entstanden sind, die bis heute ikonisch für das Ende des Dritten Reiches stehen. Damit unterstreicht er seinen Fokus, der mit seinen großen Arbeiten „Der Sound des Jahrhunderts“, „Das Jahrhundert der Bilder“ und „Das visuelle Zeitalter“ nicht nur bundesweit Beachtung gefunden hat. Deshalb haben wir diese Laudatio auch mit einem Tondokument begonnen. Auch zur jüdischen Geschichte Schleswig-Holsteins hat Gerhard Paul Grundlegendes zusammengetragen. Doch dies ist ein Exkurs. Einen Oscar für ein Lebenswerk vergibt die Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte nicht. Der Preis ist ausgeschrieben für die, die die Geschichte des Landes erforschen und vermitteln. Das tut Paul.
…
Das Buch „Mai 1945: Das absurde Ende des ‚Dritten Reiches‘ – wie und wo die Nazi-Herrschaft wirklich ihr Ende fand“ von Professor Dr. Gerhard Paul füllt eine Erinnerungslücke und richtet das Augenmerk auf den letzten Monat des Dritten Reiches in Flensburg. Das tut dieser Band wissenschaftlich korrekt und auch mitreißend. Damit leistet Paul auch bewusst populär einen wichtigen Beitrag zur Aufklärung über den Nationalsozialismus. Dessen Ende rückt noch einmal in den Fokus, wie verbohrt und verblendet viele der Führungsriege waren und auch wie feige und eigensüchtig. Das Buch vermittelt für weite Kreise auch außerhalb des Forschungsbetriebes historisches Wissen. Das zu tun sieht die Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte als eines ihrer zentralen Ziele an. Deshalb freuen wir uns, dass die Brunswiker Stiftung es seit 2008 ermöglicht, einmal im Jahr diesen Preis zu vergeben. Der Preis 2025 der Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte für das Buch „Mai 1945: das absurde Ende des „Dritten Reiches“ geht an Professor Dr. Gerhard Paul.
Die Daten zum Buch: Gerhard Paul,“Mai 1945: Das absurde Ende des ‚Dritten Reiches‘ – wie und wo die Nazi-Herrschaft wirklich ihr Ende fand“, 336 Seiten, zahlreiche Illustrationen, gebunden, Freiburg weg-Theiss Verlag, ISBN 978-3-534-61010-5
Die Laudatio von Werner Junge wurde gekürzt Fotos: Familie Paul/ Werner Junge