Parlamente entstanden überall in Europa im 13. und 14. Jahrhundert, von Schottland bis Ungarn, von Portugal bis Russland. Ihren Namen leiten die Parlamente von dem französischen „parler“ und dem italienischen „parlare“ ab. Das bedeutet soviel wie besprechen oder beraten, und ist mit diesem Sinn in Frankreich und Spanien seit der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts belegt. Dieses formelle Beraten öffentlicher Angelegenheiten durch verantwortliche und dazu ermächtigte Personen werden von Land zu Land unterschiedlich genannt: in Portugal und Spanien hießen diese Versammlungen „Cortes“, in Frankreich und den Niederlanden „États Généraux“, „Generalstaaten“ oder „États Provinciaux“, in Piemont „Stati“, für alle Territorien des Hauses Savoyen „Congregazioni generali“, in Deutschland gab es Reichstage und Landtage, in Dänemark, Norwegen und Schweden den „Rigsdag“ oder „Riksdag“, den „Sejm“ in Polen.
Alle diese Parlamente waren zunächst außerordentliche Versammlungen mit außerordentlichen Zielen. Überwiegend ging es um Notfälle (casus necessitatis), die eine rasche Lösung erforderten und die Hilfe des ganzen Landes, das über Bevollmächtigte und Berechtigte mit allen seinen Ständen (Klerus, Adel, Städte, selten auch Bauern) vertreten war. Der konkrete Notfall konnte sein: äußere Bedrohung, Thronwirren, bürgerkriegsähnliche Zustände, Revolten Adliger oder einzelner Städte, Religionskonflikte. Fast immer ging es um Geld das vom Land aufgebracht odervin Form von Schulden auch des Landesherren übernommen werden musste. Als diese Notfälle sich im 15. und 16. Jahrhundert häuften, entwickelten die Parlamente ganz unterschiedliche Verfahren, um auf friedlichem Wege Versammlungen, an denen bis zu 1.000 Personen teilnahmen, politisch handlungsfähig zu machen. Der politische Kompromiss, heute gern als „Kuhhandel“ bezeichnet, ist eine der großen Errungenschaften europäischer Parlamente.
Die tieferen Gründe für das Aufkommen der Parlamente, das heißt für ihre institutionelle Verfestigung, waren die Entwicklung des Kriegswesens, des Fernhandels, des Geldwesens, des Verkehrs, die zunehmende Mobilisierung von Teilen der Bevölkerung. Vor der Entstehung des frühmodernen Staates (16./17. Jahrhundert) mit seinen zentralen Einrichtungen im Steuer-, Gerichts- und Heerwesen hatte der Landesherr, ob Kaiser, König, Herzog oder Graf, nur eine Möglichkeit, sein Land zu Leistungen (zumeist Zahlung außerordentlicher Steuern) zu bewegen: Er musste das „Land“, die Gesamtheit der lokalen Herrschaftsträger (hoher Klerus, adlige Grundherren, Rat und Bürgermeister der Städte), zusammenrufen; nur so konnte er – mit ihrer Zustimmung – über die Ressourcen (Wirtschaftskraft) seines Reiches, seines Landes verfügen.
Die alten Landtage der Herzogtümer Schleswig-Holstein, deren beste Zeit in das 15. und beginnende 16. Jahrhundert fällt, sind eine regionale Variante der Parlamente im Europa des Ancien Régime, das heißt vor der Französischen Revolution. Erst in den 1830er Jahren gab es mit den Ständeversammlungen für Holstein und Schleswig wieder politische Repräsentation in den Herzogtümern. Nach der Annexion durch die Preußen wurde der Provinziallandtag geschaffen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg bekam das neue Bundesland Schleswig-Holstein seinen Landtag; er hat alle Merkmale einer demokratischen Volksvertretung.
Ulrich Lange (0502/0721)
Literatur: Kurt Kluxen, Geschichte und Problematik des Parlamentarismus, Frankfurt 1983 (suhrkamp tb).