Der Aufbau einer staatlichen Denkmalpflege ist eine Spätfolge des Anfang des 19. Jahrhunderts erwachten Nationalbewusstseins. Es ließ das Bürgertum nach Identität suchen. Die fand es auch in den „vaterländischen Altertümern“. Im Gegensatz zur Aufklärung, die der Tradition das Verbindliche absprach, indem sie das Vergangene von der Gegenwart trennte, entwickelte sich der „Historismus“. Er bezog sich nicht nur auf die Geschichte, sondern baute sie weiter. Mit dem Formen historischer Stile entstanden neue Bauten. Beispiel für diesen Denkmalkult ist die sogenannte Restaurierung des Meldorfer Doms. Es entstand äußerlich ein völlig neues, nach historisierenden Idealen neugotisch überformtes Gotteshaus. Vollendet wurde der Umbau 1892. Zu dieser Zeit gab es in Preußen seit 49 Jahren einen Staatskonservator. Weil es darum ging, „vaterländische Denkmäler“ zu schützen, sah der Staat sich in die Pflicht genommen. 1893 wurden auch für die preußischen Provinzen Konservatoren berufen. Der 46-jährige Gymnasialoberlehrer Richard Haupt (*1846-1940†) wurde erster Provinzialkonservator Schleswig-Holsteins. Er hatte schon zehn Jahre zuvor mit der systematischen Aufnahme von Baudenkmälern (der Inventarisation) begonnen. Damit tendierte er in eine neue Richtung. Denkmalschutz und Denkmalpflege „verwissenschaftlichten“ sich.
Kapieren nicht kopieren
Um die Wende vom 19. auf das 20. Jahrhundert setzte sich diese neue Schule durch. „Konservieren, nicht restaurieren“ (Georg Dehio) wurde zum neuen Leitspruch. Doch die Denkmalpfleger waren längst vom Bauboom der Gründerzeit überrollt worden. Stuckfassaden aus dem Katalog, neue industrielle Baustoffe wie Teerpappe lösten regionale Traditionen auf, machten Bauten in Stadt und Land von Flensburg bis Konstanz austauschbar. Die Heimatschutzarchitektur wollte dem entgegenwirken. In Schleswig-Holstein entstanden bemerkenswerte Beispiele für eine sowohl funktional moderne als auch regionaltypische Architektur. Der Baupflegeansatz erwies sich jedoch als nicht zukunftsfähig. Das nicht zuletzt, weil er von den Nationalsozialisten vereinnahmt wurde. Nach dem Zweiten Weltkrieg setzte das neue Bundesland die Arbeit der Provinzialkonservatoren mit dem „Landesamt für Denkmalpflege“ fort. Es ist mit Ausnahme Lübecks für das gesamte Land zuständig. Untere Denkmalschutzbehörden auf Ebene der Landkreise sorgten für ortsnahe Beratung. 1958 wurde in Kiel das erste Landesdenkmalschutzgesetz Deutschlands verabschiedet. Erstmals durften die staatlichen Denkmalschützer sich auch um Privatgebäude kümmern. Der Bauboom der zweiten Gründerzeit zeigte jedoch, dass dies nicht reichte. Ganze alte Quartiere fielen der Abrißbirne zum Opfer.
Itzehoe als Wende
Auch auf dem flachen Land veränderten sich geschichtlich gewachsene Lebensräume in einem dramatischen Tempo. Zur Wende wurde der Protest gegen den Abriss der historischen Neustadt von Itzehoe. Von dem planmäßig im 13. Jahrhundert in der Störschleife angelegten Quartier konnte nur wenig gerettet werden. 1974 schließlich wurde auch noch der Fluß zugekippt. Der Protest von Bürgerinitiativen hatte jedoch schon 1972 dazu geführt, dass nun auch Gebäudegruppen, Ensembles, unter Schutz gestellt werden konnten. Im selben Jahr gelang es auch durchzusetzen, das neue Städtebauförderungsgesetz des Bundes im Land so anzuwenden, dass „erhaltene Erneuerung“ möglich wurde. Vielen Städten – wie etwa Glückstadt – wurde es dadurch ermöglicht, ihre historischen Kerne zu erhalten. 1996 schließlich gelang es, auch den flächenhaften Denkmalschutz, also den ganzer Viertel oder Stadtkerne, gesetzlich zu verankern. Auch kamen die historischen Gärten und Parks insgesamt unter gesetzlichen Schutz. Das Landesamt verfügt damit inzwischen zwar über die rechtlichen Grundlagen, jedoch nicht mehr über die finanziellen Mittel für einen modernen, umfassenden Denkmalschutz. Immer mehr historisch wertvolle Gebäude verfallen oder müssen wider besseres Wissen zum Abriss freigegeben werden, weil das Geld fehlt, sie zu retten.
-ju- (0503/0621)
Tipp: Aus der Arbeit des Landesamtes für Denkmalpflege wird seit 1994 jährlich in der Zeitschrift „DenkMal!“ berichtet. Näheres zur Arbeit und den Aufgaben des Landesamtes auch unter www.denkmal.schleswig-holstein.de
Quelle: Johannes Habich, 100 Jahre Denkmalpflege in Schleswig-Holstein, in DenkMal!, Zeitschrift für Denkmalpflege in SH, Jahrgang 1, 1994, Heide, Boyens & Co, ISBN 3-8042-0671-9, www.buecher-von-boyens.de
Bildquellen: Landesamt für Denkmalpflege