Probe der Orchesterakademie mit Christoph Eschenbach in der Scheune in Salzau
Probe der Orchesterakademie mit Christoph Eschenbach in der Scheune in Salzau

Nach dem legendären Gründungskonzert im Juli 1985 gab es 1986 das erste Schleswig-Holstein Musikfestival (SHMF). Die Idee, klassische Musik und Weltstars in einem ländlichen Ambiente zu präsentieren, stammt von dem Pianisten Justus Frantz (*1944). Er begeisterte den damaligen Ministerpräsidenten Uwe Barschel (*1944-1987†) für das Projekt. Als 1987 der amerikanische Komponist und Dirigent Leonard Bernstein (*1918-1990†) unter dem Motto „Let’s make music as Friends“ eine internationale Orchesterakademie im ehemaligen Landeskulturzentrum Salzau gründete, stand ein Künstler an der Spitze des Festivals, dessen musikalische Utopie von einer humanen Welt bis heute das Profil des Klassik-Ereignisses beeinflußt.

Ein rasanter Aufstieg

Frantz schaffte es als Intendant in kurzer Zeit, dem Festival mit jährlich über 100 Konzerten in Scheunen, Kirchen und Konzertsälen ein unverwechselbares Gepräge zu geben. Das Sommerfestival lockte gekrönte Häupter sowie Staatsmänner in das Land zwischen den Meeren. Neben den großen Interpreten machen bis heute die Orchesterakademie und die Meisterkurse an der Musikhochschule in Lübeck das Festival zu einem Sprungbrett für den Nachwuchs. Seit 2008 fördert das SHMF mit der Konzertreihe „Meisterschüler – Meister“ Preisträger des Bundeswettbewerbs von „Jugend Musiziert“ Nach dem Regierungswechsel 1988 in Folge der Barschel-Pfeiffer-Affäre setzte die neue SPD-Regierung unter Björn Engholm (*1939) die Zusammenarbeit mit Frantz fort.

Bruch mit Justus Frantz

Während das Festival unbestritten weiterhin für das Land einen großen Imagegewinn brachte, entfremdeten sich Gründungsindendant Frantz und die Regierung Heide Simonis  seit 1993 zusehends. Erhebliche finanzielle Defizite führten schließlich dazu, dass Frantz ausschied und das SHMF unter der Leitung von Franz Willnauer von 1996 bis 1998 konsolidiert wurde. Seit 1999 leiteten Christoph Eschenbach (*1940)  und Rolf Beck (*1945) das Festival. Von der Saison 2003 an führte Beck allein die Geschicke weiter, bis er nach dem Festivalsommer 2013 von Christian Kuhnt abgelöst wurde.

Das SHMF erfindet sich neu

In den Jahren 1996 bis 2013 wurden die Programme des Festivals durch jährlich wechselnde Länderschwerpunkte zusätzlich charakterisiert. Mit dem Intendantenwechsel 2013 wechselte auch der Schwerpunkt zugunsten einer jährlich wechselnden  Komponistenretrospektive und eines Solistenportraits, für das jeweils eine herausragende Musikerin oder ein Musiker eingeladen wird, den Sommer in Schleswig-Holstein zu verbringen und eine Reihe von Konzerten und Workshops vollkommen frei gestaltet. Der rein klassische Charakter des SHMF wird mit der Intendanz von Christian Kuhnt aufgebrochen und um die Konzertreihe „Luustern“ ergänzt, in der Liedermachern, DJs, Rock- und Popmusikern eine Plattform geboten wird. Im Gedenken an den Mitgründer des Festivals wird seit 2002 im Rahmen eines Konzertes der Leonard Bernstein Award an einen herausragenden Nachwuchskünstler verliehen. Erster Preisträger war der chinesische Pianist Lang Lang.

Das Festival und Corona

Nachdem das SHMF im Jahr 2020 pandemiebedingt zunächst komplett abgesagt wurde, entwickelte das Team um  Festivalintendant Christian Kuhnt  innerhalb weniger Wochen alternativ den „Sommer der Möglichkeiten“ und brachte die Musik zu den Menschen: Wohnzimmerkonzerte, Musikfesttrecker mit Ensembles auf dem Anhänger und Konzerte in kleinstem Rahmen zeigten die enorme Flexibilität des SHMF. Auch der Sommer 2021 war noch durch Corona geprägt: trotz Lockerungen fanden rund zwei Drittel aller Konzerte Open-Air statt und es war das erste Mal, dass die französische Pianistin Hélène Grimaud als Porträtkünstlerin aufgrund restriktiver Einreisebeschränkungen nicht ein einziges Konzert im Rahmen des SHMF spielen durfte.

Eine musikalische Bürgerinitiative

Der Etat liegt zwischen rund acht und 12 Millionen Euro, von denen das Land gut 1,2 Millionen Euro trägt. Der Rest finanziert sich über Sponsoren und Eintrittsgelder. Mittlerweile finden an mehr als 60 Orten und über 100 Spielstätten in Schleswig-Holstein, Hamburg, Dänemark und Niedersachsen Konzerte des SHMF statt. Damit ist es eines der größten Festivals Europas mit zum Teil weit über 200.000 Besuchern. Richard von Weizäcker beschrieb das Festival als eine „gigantische musikalische Bürgerinitiative“. Medienpartner ist der Norddeutsche Rundfunk.

Sommerliches Picknick vor Gut Emkendorf mit "zufällig" im Vordergrund stehenden Musikern
Sommerliches Picknick vor Gut Emkendorf mit „zufällig“ im Vordergrund stehenden Musikern

Michael Legband/ Benedikt Stubendorff (0403/1121)

Tipp: Informationen über das Programm des Festivals unter www.shmf.de

Quellen: associated press (ap); Jann Markus Witt und Heiko Vosgerau (Hrsg.), Schleswig-Holstein von den Ursprüngen bis zur Gegenwart – Eine Landesgeschichte, Hamburg, 2002, Convent-Verlag, ISBN 3-934613-39-X; Klaus-Joachim Lorenzen-Schmidt und Ortwin Pelc (Hrsg.), Schleswig-Holstein Lexikon, Neumünster, 2000, Wachholtz Verlag, ISBN 3-529-02441-4

Bildquellen: Schleswig-Holstein Musikfestival (SHMF)