Von der Verwaltungsbibliothek zum Kulturspeicher
Die Bestände der Schleswig-Holsteinischen Landesbibliothek (SHLB) in Kiel bieten einen reichen Quellenfundus zur Landesgeschichte aus sechs Jahrhunderten. Gegründet 1895 trägt sie seit 1899 ihren heutigen Namen. Die 1833 gegründete Gesellschaft für Schleswig-Holsteinische Geschichte (GSHG) hatte sich nach der Provinzialisierung seit 1867 intensiv für den Aufbau der Landesbibliothek eingesetzt. Heute ist die SHLB eine landesgeschichtliche und landeskundliche Spezialbibliothek, die – zusammen mit dem Landesarchiv – das kulturelle Erbe Schleswig-Holsteins bewahrt, dokumentiert und vermittelt. Seit 2019 ist an der Landesbibliothek ein Zentrum für Digitalisierung und Kultur angesiedelt.
Die Vorgeschichte
Die Vorgeschichte der Landesbibliothek reicht zurück bis in die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts – und damit einige Jahrzehnte vor ihre Gründung. So hat sie ihren Ursprung in der Büchersammlung der ab 1835 in Itzehoe tagenden Ständeversammlung des Herzogtums Holstein. Diese wurden schließlich zur Büchersammlung des 1867 eingerichteten Provinziallandtages erklärt und unter dem Namen „Ständische Bibliothek“ geführt. Im Dezember 1895 richtete der Provinzialausschuss seine „Ständische Bibliothek“ schließlich als eigenständige Institution ein, die seit 1899 den Namen „Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek“ führt.
Mehr als ein Archiv für die Verwaltung
Dass die Büchersammlung des Provinzialausschusses bereits mehr war als nur eine Verwaltungsbibliothek, zeigt die Erwerbungspraxis des damaligen Landesdirektors Wilhelm von Ahlefeld (*1818-1897†), der offenbar mehr im Blick hatte als die Bedürfnisse der Provinzialverwaltung. Er sammelte bereits Publikationen zur Geschichte und zur Landeskunde Schleswig-Holsteins und übernahm einschlägige Privatbibliotheken. So kam auch 1877 die umfangreiche Bibliothek des Historikers und ersten Schriftführers der GSHG Andreas Ludwig Jakob Michelsen (*1801-1881†) ins Haus zu Ahlefeld.
Die 2.500 Bände wurden zur Grundlage der neu zu schaffenden Bibliothek. Ahlefeld tat damit das, was erst 1895 als Grundsatz der Erwerbungspraxis der neu gegründeten Landesbibliothek festgelegt wurde: die gesamte „auf die Geschichte der Provinz bezügliche […] und für dieselbe werthvolle […] Litteratur“ zu sammeln. Außerdem sollte ihr Augenmerk auf „den belletristischen Arbeiten“ liegen, „welche sich auf schleswig-holsteinische Verhältnisse beziehen oder aus der Feder von Angehörigen der Provinz herrühren“.
Die Sammlungen …
Die historische Entwicklung bestimmt im Kern noch heute die Sammlungspraxis der Landesbibliothek. So hat diese auch heute die Aufgabe, Medien sowie weiteres Kulturgut mit Bezug zur Geschichte, Landeskunde, Tradition und Kultur Schleswig-Holsteins und seiner direkten Nachbargebiete, insbesondere Dänemark, zu sammeln, zu archivieren, zu erschließen, der Öffentlichkeit zugänglich zu machen und zu vermitteln. Über 230.000 Druckwerke zählt ihr Bestand inzwischen, darunter wertvolle Gutsbibliotheken (Gut) der Herrenhäuser Rantzau, Salzau, Kühren und Noer sowie die Dauerleihgaben der Bibliothek der Grafenfamilie Schimmelmann und die Gudesche Bibliothek, Gelehrtenbibliothek des Altertumswissenschaftlers Marquard Gude (*1635-1689†), mit Exemplaren aus der frühen Zeit des Buchdrucks. Zum Bestand zählen von Anfang an auch Zeitschriften und Zeitungen. So ist die Landesbibliothek die einzige Institution, die alle in Schleswig-Holstein erscheinenden Zeitungen komplett sammelt. In Schleswig-Holstein verlegte Literatur wird über die Pflichtabgabe eingefordert. Zusätzlich kauft die Bibliothek Literatur über Schleswig-Holstein an.
… mit wertvoller Literatur,
1908 erwarb der erste fest angestellte Direktor der Landesbibliothek, Rudolph von Fischer-Benzon (*1839-1911†), den Nachlass von Klaus Groth (*1819-1899†). Die Landesbibliothek sammle „ohnehin die schöne Litteratur Schleswig-Holsteins“ argumentierte der Direktor. Groths Schriften bildeten den Grundstein der Handschriftensammlung in der Landesbibliothek. Sie umfasst heute über 200.000 Autografen aus der Feder bekannter schleswig-holsteinischer Autoren, Wissenschaftler und Künstler. Das sind neben Groth unter anderem: Theodor Storm, Friedrich Hebbel, Detlev von Liliencron, Lorenz von Stein, Ferdinand Tönnies, Friedrich von Esmarch und Wilhelm Hartwig Beseler bis hin zu Feridun Zaimoglu. Das Schriftgut, das vorwiegend aus dem 18. bis 21. Jahrhundert stammt, setzt sich im Wesentlichen aus Nachlässen, aber auch Buchhandschriften und Materialsammlungen zusammen. Dazu kommen noch 5.000 Einzelhandschriften wie zum Beispiel Briefe von Albert Einstein(*1879-1955†) an Hermann Anschütz-Kaempfe (*1872-1931†).
… Musikalien,
Darüber hinaus beherbergt die Landesbibliothek auch Musikalien. Die Musiksammlung umfasst etwa 25.000 Notendrucke, 3.000 Notenhandschriften und 100 Textbücher. Darunter befinden sich auch Noten des berühmten, 1786 in Eutin geborenen Komponisten Carl Maria von Weber (*1786-1826†). Gesammelt werden aber auch Musiknachlässe, Liederbücher zum schleswig-holsteinischen Volkslied und Kompositionen zu Texten schleswig-holsteinischer Dichter.
… Bilder und Objekte
Zu den Schätzen der Landesbibliothek gehört auch das rund 35.000 Objekte umfassende Bildarchiv der Landesgeschichtlichen Sammlung. Es stammt aus der 1897 als landesgeschichtliches Museum gegründeten „Historischen Landeshalle“, die 1935 in die Landesbibliothek integriert wurde. Die Landesgeschichtliche Sammlung enthält als Einzelblattsammlung vor allem Druckgraphiken, Zeichnungen, Gemälde, Photographien und frühe Bildpostkarten zur Landes- und Kulturgeschichte.
Eine Bibliothek für alle
Die Bestände der Bibliothek sind für alle Interessierte öffentlich zugänglich. Wem der Weg nach Kiel einmal zu weit ist, der kann den hauseigenen Reproservice nutzen, der von den Dokumenten und Objekten – sofern die urheberrechtlichen und konservatorischen Bedingungen es zulassen – auf Anfrage Digitalisate anfertigt. Auf der Suche nach Literatur hat der elektronische Onlinekatalog inzwischen den Zettelkasten fast abgelöst. Wer Aufsätze und Artikel recherchieren möchte, kann die Bibliografie heranziehen. Für Objekte der Sondersammlungen stehen eigene Kataloge zur Verfügung, in die die Bestände regelmäßig eingepflegt werden. Von 2023 an soll die „Digitale Landesbibliothek“ verfügbar sein.
SHLB on Tour
Seit ihrer Gründung musste die SHLB schon sechs Mal umziehen: vom Haus der Provinzialverwaltung in der Kieler Gartenstraße über das Kieler Schloss, im Krieg zeitweise ausgelagert ins Kloster Cismar, provisorisch untergebracht in einer ehemaligen Kaserne im Kieler Norden, wieder im neu erbauten Kieler Schloss – bis die Landesbibliothek schließlich 2002 in den Sartori-und-Berger-Speicher am Wall 47 zog. Zurzeit versucht die Landesbibliothek auf gesellschaftliche Bedürfnisse zu reagieren und sie in ihrer traditionellen Funktion als Archiv des kulturellen Erbes um ein Zentrum für digitalen Wandel zu ergänzen und beides – Vergangenheit und Zukunft – räumlich in einen „Dritten Ort“ einzubetten. Der soll eine Brücke zwischen wissenschaftlicher und öffentlicher Bibliothek schaffen und sich damit zu einem verbindenden Element für die Kultur- und Wissenschaftslandschaft in Schleswig-Holstein entwickeln.
Dr. Maike Manske (1122*)
Literatur: Martin Rackwitz, 125 – Von Archiv bis Zukunft: 125 Jahre Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek in 125 Stichworten, hg. von der SHLB, Kiel/Hamburg: Wachholtz 2020; Martin Lätzel, Die Schleswig-Holsteinische Landesbibliothek: Wissen teilen – Tradition erhalten – Wandel gestalten, in: GSHG. Mitteilungen Nr. 97, Oktober 2019, S. 53-57; Dieter Lohmeier und Renate Paczkowski (Hg.), Landesgeschichte und Landesbibliothek. Studien zur Geschichte und Kultur Schleswig-Holsteins. Hans F. Rothert, zum 65. Geburtstag, Heide: Boyens 2001; Dieter Lohmeyer (Hg.), Geschichte und Kultur im Spiegel der Landesbibliothek, Heide: Boyens 1995.
Bildquellen: alle SHLB Kiel